Meine kleine sympathische Lieblingsserie geht in das 23. Jahr ihres Bestehens und schließt zudem ihren 18.
Handlungszyklus ab – das Jahr 2550 schreiben wir mittlerweile und
obwohl die ursprüngliche barbarisch-postapokalyptische Welt nach wie
vor als DNA im Zellkern der Reihe existiert, sind im Laufe der Zeit
zahlreiche Erzählwelten dazugekommen. Der mysthisch-phantastische
Mars beispielsweise, das ferne
Ringplantensystem voller SciFi und Sense Of Wonder
oder Afra, dessen überbordendes Worldbuilding der Phantasie eines
Terry Gilliam entsprungen sein könnte. All das ließ die Welt des in
der Zukunft gestrandeten Air-Force-Piloten Matthew Drax in eine
narrative Komplexität hineinwachsen, die nicht immer übersichtlich
ist. Dass das Autorenteam um ihr Mastermind Michael „Mad Mike“
Schönenbröcher dennoch die Zügel sicher in der Hand hat, beweist
der Showdown des „Weltenriss“-Zyklus
unzweifelhaft. Dass es zwischendurch durchaus den Anschein haben
konnte, dem sei nicht so, scheint vor dem Hintergrund von Ian Rolf
Hills „Endspiel“ beinahe wie ein gelungener Bluff. Tatsächlich
fehlt nicht mehr viel angesichts der Nonchalance, mit der hier ein
haarsträubendes 1000-Teile-Puzzle zu einem befriedigendem Ende
geführt wird, um von einem Husarenstück zu sprechen.
Der
Versuch einer kurzen Zusammenfassung: Im Becken des Victoriasees
taucht eine gigantische Stadt auf, die auf beängstigende Weise
lebendig zu sein scheint. Sie entstammt einer parallelen Realität,
in der jener Komet, der hier die Erde in die Bronzezeit zurückbombte,
nicht einschlug, sondern rätselhaft über den Wassern schwebt. Als
er schließlich wieder verschwindet, bleibt ein fanatischer Kult
zuück, der sich infektiös von Mensch zu Mensch überträgt und nur
ein Ziel kennt: Einen dunklen Gott mit Lebensenergie zu füttern, aus
dessen Herz die Gigantopole wuchert. Die Priester des Kultes sind mit
unterschiedlichen Superkräften gesegnet, die sie im Kampf gegen die
Spezialeinheit Dark Force,
den Titelhelden und die kaiserlichen Truppen. Als wäre die
Weltenrettung an dieser Baustelle nicht schon genug Arbeit, taucht
aus den Tiefen des Alls ein alter Feind wieder auf: Der Streiter,
eine intelligente Wolke kosmischen Staubes, deren Energiehunger alles
planetare Leben zum Opfer fällt, das ihm auf seinem Weg begegnet.
Dass der oben erwähnte Komet ein Wandler,
also dessen Lieblingsfeind und ebenfalls eine lebende Entität ist,
mutet Nichtlesenden dann schon recht kompliziert an. Doch es kommt
noch dicker: Um den Streiter besiegen zu können, der die
Zivilisationen von Erde um Mars bedroht, ist eine Alien-Superwaffe
namens Flächenräumer nötig. Um diesen zu beschaffen, beginnt sich
ein verflochtenes erzählerisches Räderwerk zu drehen, das sich in
diesem Zweifrontenkrieg mit viel interstellarer Diplomatie,
Geistreisen, Action und phantasievollen Einfällen um die benötigten
Wurmlochgeneratoren, Baumaterialien, Fluggeräte, Man- und vor allem
(!) Womanpower und Waffen kümmert. Zahlreiche altbekannte Figuren
und Schauplätze werden reanimiert, spannede neue Heldinnen kommen
dazu.
Doch
am Ende ergibt alles einen zwingenden Sinn. Selbst Ausflüge, die
zunächst überflüssig schienen (konkret geht es um den Laich mutierter
Riesenkröten, der die Eigenschaft besitzt, den Geist vor Telepathie
abzuschirmen) oder Nebenhandlungen (Razor/Vasraa gegen ihr
Parallelwelt-Ich) fügen sich als unersetzbare Teilchen in ein
Gesamtbild, in dem die eigentliche Identität des Finsteren Herzens
preisgegeben wird. Diese ist eine ziemlich raffinierte Überraschung
und nicht spoilerfrei wiederzugeben – wohl aber sollte man nicht
verschweigen, dass auch der Großteil des Serienpersonals an ein
rundes, wenn auch nicht immer glückliches Ende geführt wird. Selbst
für einen Routinier wie Ian Rolf Hill dürfte das keine leichte
Aufgabe gewesen sein, die ihm aber prima gelingt.
Ein
erster Anknüpfungspunkt für den kommenden Zyklus namens
„Amraka“wird ebenfalls gesetzt. Dieser soll laut Bastei sehr
einsteigerfreundlich sein – ein Kompliment, dass man dem nun zu
Ende gegangenen Kapitel nicht machen kann.
[Dieser Artikel wird auch zeitnah auf phantastik-news.de erscheinen - wie das ja schon seit Beginn des "Weltenriss"-Zyklus mit wenigen Ausnahmen der Fall war. Auch weiterhin werde ich dort über jeden neuen Maddrax und vermehrt auch andere Lesererfahrungen aus der Phantastik berichten. Den Jahreswechsel und den Start des neuen Zyklus nehme ich nämlich (nach reiflicher Überlegung, wie man so sagt) zum
Anlass, meinen veränderten Interessen und Anforderungen gerecht zu
werden und mich ein wenig neu aufzustellen. Mein "Bücherbums" ist ein Kind der Corona-Pandemie, und ich lasse
ihn, zuversichtlich wie ich nun mal bin, endemisch werden - er bleibt noch online, aber mit sparsamer Aktivität. Für mein persönliches Lesetagebuch werde ich fortan das Angebot
der Plattform "Goodreads" nutzen. Mein Mitwirken im MX-Fandom wird meine Aktivität im bald zu gründenden Offiziellen Fanclub sein. Und meine Phantastik-Rezensionen sind auf der anderen Plattform besser aufgehoben - dort finden sie nämlich die Leser/innen, die sich hier so rar machen, seit ich (aus Gründen) den gängigen sozialen Medien den Rücken gekehrt habe. Ich freue mich über die vielen tollen Verbindungen und Bekanntschaften, die ich dem Bücherbums zu verdanken habe! Diese zu pflegen und zu intensivieren, wird mir sicherlich mehr Spaß machen, als diese Seite hier weiterhin zu füttern, was mir, von den Maddrax-Rezis abgesehen, zunehmend zur Last denn zur Lust gereicht. Allen, die jetzt noch dran sind: Danke fürs Lesen!]
Conan
Doyle, E.A.Poe oder Iron Sky:
Die Idee gigantischer Hohlräume im Planeteninneren ist seit jeher
ein inspirierender Gegenstand für die Phantastik. Während die
überholte Theorie einer komplett hohlen Erde, die man vom Südpol
aus betreten könne, sich nur auf dem ein oder anderen
Wahnwichtel-Kanal noch einer gewissen Aufmerksamkeit erfreuen mag,
kann eine solche Höhlung andernorts gar zivilisationserhaltend sein.
Andernorts meint hier: Auf dem Mars, im aktuellen Maddrax-Roman
„Countdown“ von Simon Borner und Oliver Müller. Die zwei
Millionen Bewohner/innen des Rotgrunds werden nämlich von der
energiefressenden Kosmischen Entität des Streiters bedroht. Wieder
einmal, möchte man sagen. Gut, dass die hydritische Erstbevölkerung
des Planeten in grauer Vorzeit eine solche Höhlung von 20 mal 17 Kilometern erschaffen
hat – das taugt wohl mehr als ein paar schnöde Bunker oder gar
der konkurriende Plan, lediglich eine kleine Elite per Raumschiff zu
evakuieren und den Rest der Bevölkerung ihrem Schicksal zu
überlassen. Diese Hohlwelt zu finden, zu erforschen und zu
ertüchtigen bietet dem Autorenduo jedenfalls genug Stoff für einen
spannende Weltrettung voll Atmosphäre, dem es nebenbei gelingt, noch
ein paar Seitenhiebe auf die Arbeits- und
Argumentationsgepflogenheiten populistischer Aufwiegler im
marsianischen Rat zu verteilen – der Bezug zu ähnlichen
Gruppierungen im Bundestag stellt sich im Kopf der Lesenden wohl von
ganz allein her.
Es
geht also unter Tage, und das unter Zeitdruck, wie ja auch der Titel
der Episode suggeriert. Der Mars, im Maddraxiversum häufig ein eher
mystisch anmutender er Ort, wird hier unter der Perspektive des
Protagonisten, dem Hydriten Wan'kul, handfeste Bergmanns-SciFi ohne
Schnickschnack. Dass Oliver Müller ein Kind des Ruhrgebiets ist, mag
da hineingespielt haben – falls er denn den entsprechenden Plot
überhaupt geschrieben hat. Doch auch die Parallelhandlung ist nicht
von Pappe. Hier greifen die Autoren die Geschichte des Attentäters
aus Band 590 noch einmal auf und überraschen mit der Erkenntnis,
dass damals mit dem Kaiserenkel Pilou der falsche beschuldigt worden
ist. Nun versucht der vor Hass und Verzweiflung verblendete Bor'dal
erneut einen vernichtenden Schlag gegen den Titelhelden Matthew Drax
– und verstickt sich damit seinerseits tief in eine Schuld, die
wohl nie wieder zu tilgen sein wird. Wie der junge Mann unerbittlich
seinen Plan verfolgt und dabei jede Ratio, jedes Gewissen und jeden
möglichen Ausweg aus seinem Tun ignoriert – das ist ganz stark und
tut beim Lesen weh.
Kurz
vor Zyklusende, eine eindringliche und lesenswerte Episode!
In der Welt von Maddrax neigt sich der
aktuelle Weltenriss-Zyklus seinem wohlverdienten Ende zu, und das
erste vorab veröffentlichte Cover der kommenden Reihe spoilert es
bereits wie die Spatzen von den Dächern: Haaley wird weiterhin dabei
sein. Mit dieser Figur hat Ian Rolf Hill einen echten
Publikumsliebling geschaffen. Ursprünglich eine Verbeugung vor der
ebenfalls völlig unberechenbaren Harley Quinn aus dem DC-Universum,
hat sich Choyganmaa Aksinja Jevdokija Ewgenija Iwanowa rasch
von ihrem Vorbild emanzipiert, hat neben Tiefenschärfe auch ein
üppiges Eigenleben gewonnen und als Handlungsabschnittsgefährtin
des Antagonisten Smythe den Zyklus ordentlich mit schrägem Humor,
großer Klappe, todesverachtender Action und schmerzhaft offensiver
Sexualitiät aufgemischt. Vor allem Letztere ließ erahnen, dass sich
hinter diesem enfant terrible
eine zutiefst traumatisierte Seele verbirgt. In Wege des
Wahnsinns nun nimmt uns ihr
Schöpfer mit in eine Vergangenheit, die den Lesenden einige
Nervenstärke abverlangt.
Piita,
das postapokalytische Sankt Petersburg. Hier lebt Ewgenija mit ihren
jüngeren Geschwistern und Vater Aleksej in der Erimitage am Ufer der
Newa, dem 18. Jahrhundert von Katharina der Großen begründeten
Kunstpalast. Alexej genießt als Retrologe großes Ansehen in der
Stadt und nutzt seine Stellung weidlich aus. Die Stadtwache frisst
ihm aus der Hand, zahlreiche Frauen beglückt er mit seinem
vorgeblich hochwertigem Erbgut. Doch seit Ewgenijas Mutter tot ist,
wandelt er sich in einen alkoholkranken Tyrann, der auch vor
körperlicher Züchtigung und sexuellem Mißbrauch nicht zurück
schreckt. Am meisten leidet die älteste Tochter, ein drangsaliertes,
gedemütigtes, eingeschüchtertes Aschenbrödel, das, vom eigenen
Vater geschwängert, schließlich Hilfe bei einer Außenstehenden
sucht. Doch die Stadt wird von Taratzen, mutierten halbintelligenten
Riesenratten, eingenommen. Das Kind ist schließlich auf sich allein
gestellt, kann die Geschwister nur aus der Gewalt des Tyrannen
befreien, wenn sie selbst zu töten lernt. Für sie, die als kleines
Mädchen noch eine liebevolle und umsorgte Kindheit genießen durfte,
ein krasser Bruch, der uns eindringlich klarmacht, warum Haaley heute
so ist, wie sie ist.Zumindes ein Stück weit.
Und
auch die heutige Haaley kommt in einer Parallelhandlung vor, die noch
einmal eindrucksvoll ihre handlungsentscheidende Symbiose zu jenem
Tachyonen-Organismus unter Beweis stellt, den sie selbst nach ihrer
kleinen Schwester benannt hat: Choyganmaa. Queen
Choyganmaa, soviel Zeit muss sein. Der
Autor setzt nur sparsame humoristische Akzente, und das ist gut so.
Die aktuelle Episode ist ein wunderbares Beispiel, wie die
Modernisierung des guten alten Groschenromans gelingen kann: Auf nur
64 Seiten verdichten sich empathische Charakterführung, emotionale
Hochspannung und fundierte Recherche zu einem Leseabenteuer, das
lange nachwirkt.
Ob diesem Origins-Abenteuer ein
weiteres folgen wird, das Ewgenijias Lebensweg seit der Flucht aus
dem taratzenverseuchen Piita bis nach Tysburk fortschreibt, wo sie
erstmalig im Madraxiversum gesichtet ward, ist noch unbekannt –
wünschenswert wäre es allemal. Ach was, wünschenswert... eines
meiner sehnlichsten Gelüste für das kommende Jahr! Als MX-Fan würde
ich einen Jubelschrei ausstoßen und dat Ganze anschließend als
Ruury mit nem lecker Pilsken begießen. Denn ich habe mich mit
meiner Spekulation, dass die Figur auserzählt sei, gehörig verhoben
und muss reumütig konstatieren: Wege des Wahnsinns ist ein,
wenn nicht der, absolute Höhepunkt des aktuellen Zyklus'.
„Nachdenklich betrachtete Miki Takeo das Bauteil des Gleiters,
das ihm seine Ingenieure in die Werkstatt überstellt hatten. Der
Verschleiß an Gleitern hatte in den vergangenen Jahren enorm
zugenommen, was vor allem Matt Drax und Aruula zu verdanken war.“
Da ist was dran. Ganz unschuldig ist aber auch das Team der
Autorinnen und Autoren meiner kleinen feinen Lieblingsserie nicht;
erst deren Plotting hat schließlich dafür gesorgt, dass aus der
barbusig-barbarischen Schwertschwingerin und ihrem in der dunklen
Zukunft der Erde gestrandeten Gefährten sowas wie ein
postapokalyptischer Jet-Set wurde. Ein unter Lesern nicht selten
diskutiertes Thema übrigens, daher kann man vorangestelltes Zitat
sicher auch als kleinen Seitenhieb verstehen. Maddrax und seine Fans
… was sich liebt, das neckt sich offenbar. Oder ginge das zu weit?
Der grüblerische Takeo ist jedenfalls nicht die einzige Stelle im
Roman, die mich zum Lachen gebracht hat. Lucy Guths Auf der Jagd
nach dem Roten Diamanten ist ein
vielseitiger und reichhaltiger Fanservice geworden: Witzig,
anspielungsreich, spannend. Und ja, handlungsmäßig auch ein wenig
überfrachtet, weshalb nicht jedes szenische Potential gleichermaßen
zu seinem Recht kommen kann. Mal eben nach Skothland zum Hort des
Wissens? Check. Skurrile Retrologengemeinschaft an der Ostküste?
Check. Diese Handlungselemente, um nur zwei Beispiele zu nennen,
hätten schon gut und gerne zwei Einzelabenteuer ergeben. Auch der
Kern der Geschichte, die titelgebende Jagd nach dem Roten Diamanten,
Schauplatz ist eine Tempelruine im heutigen Togo, hätte bei all
ihrer Fülle auch als 200-Seiten-Schmöker eine gute Figur gemacht.
Dafür bleibt mir beim Lesen eine Menge Raum für eigene Phantasie
und Spekulation, was ja auch nicht das Schlechteste ist.
Was mag wohl das Schicksal jenes
skelettierten Bruchpiloten mit der Grateful-Dead-Jacke
gewesen sein? Welchen Ursprung hat der Diamant, der sich als eine
mächtige Energiespeichereinheit mit ungewöhnlicher Signatur
erweist? Wie konnte sich die Rothaarigkeit der Priesterinnen über so
viele Generationen halten, wo sie doch rezessiv vererbt wird? Warum
isoliert Wasser die Absobationsfähigkeit des rätselhaften Steins,
„Muttermilch“ aber nicht? Und wo kriegen sie mitten in Afra bloß
so viel Effel für ihren Schoope
her?
Doch der Reihe nach. Um sich auf
die Spur des entflohenen Smythe zu setzen, kann Kormak Reese und
Rulfan nur eine ausgediente Schrottmöhre von Gleiter zur Verfügung
stellen. Die schmiert dann auch glatt im tiefsten Dschungel ab, wo
die zwei Hübschen (an dieser Stelle sei das herrliche Cover von Nestor
Taylor gewürdigt!) von den Einwohnern des Dorfes Katta-Kenna des
Diebstahls ihres Herzens
beschuldigt werden – eben jenes Diamanten, der sowohl die
Energieversorgung der Gemeinschaft sicherstellt als auch ihr
spirituelles Zentrum ist. Der Dieb ist allerdings in Wahrheit
(Trommelwirbel) der flüchtige Professor höchstselbst, der sich
damit längst nach Meeraka abgesetzt hat. Doch Reese wird nach
einer einem zünftigen Abenteuerroman angemessenen Prüfung mit Dungeon,
Krokodilen und Stammesfeinden in den Ordensstand erhoben, da sie
nicht nur ebenfalls rothaarig, sondern auch des Deutschen mächtig
ist. Und das Deutsche, wenn auch mit deutlich hessischen Einschlag, ist zufällig die Sprache der Priesterinnenkaste. All das liest sich
schon ziemlich witzig, und allein das Vorhandensein einer deutschen
Mundart in einem Abenteuersetting erinnert mich wohlig an Karl May
und das Sächsisch des jüngst verstorbenen Ralf Wolters als Trapper
Sam Hawkens und dessen ständig verrutschendes Toupet. Hab ich mich
als Kind derbe drüber beömmelt. Die Erinnerungen an das filmische
Vorbild dieses Romans sind hingegen eher vage und verschwommen,
weshalb ich nicht allzu viele Andeutungen, mit denen das Heft sicher
pickepackevoll ist, verstanden habe. Immerhin, die Stiefel aus
Krokodilleder kommen drin vor – für weitere Erkenntnisse müsste
ich den Streifen wohl nochmal schauen. Oder die Schwarmintelligenz zu
einer Sammlung im Maddraxikon, Blogdrax-Forum oder den diversen
Kommentarspalten anregen, was ich hiermit tue.
Die Handlung geht nach dem
Tempelabenteuer noch weiter, doch spoilerfrei zu bleiben wird ab jetzt
etwas schwierig. Zumindest muss ich erwähnen, dass mein
mathematisch-naturwissenschaftliches Verständnis brutal versagt hat,
als es darum ging, die innere Logik des finalen Gleiterkampfes an der
Küste von Sub'Sisco nachzuvollziehen. Laserbeschuss und
Energieabsorbition rufen eine Pattsituation hervor. Ob diese sowie
ihre explosive Auflösung tatsächlich plausibel sind, kann ich trotz
Kopfzerbrechen nicht beurteilen, habe aber das Gefühl, dass man Lucy
Guths Serienbeitrag mit Logik ohnehin nicht so recht beikommen kann. Was ja
für so manchen Adventure-Streifen ebenfalls gilt.
Lucy Guths Erzählstimme ist wie
immer geradeaus und unprätentiös, dabei leicht und von einer
feinen, menschenfreundlichen Ironie durchzogen. Ich mag diesen Sound
sehr und hoffe, dass sie noch lange an Bord der Serie bleibt – 2022
hat sie sich etwas rar gemacht, finde ich.
Ob
in den Abenteuerromanen Jack Londons oder in den naturphilosophischen
Betrachtungen eines Henry David Thoreau: Dem Gang in die Wildnis soll
seit jeher eine besondere Wirkung innewohnen. Hier, in einer Hütte
im Wald oder in der rauhen Einöde Alaskas, kann der entfremdete
Zivilisationsmensch alle Falschheiten des modernen Lebens abschütteln
und wieder ganz zu seinem wahren Selbst finden, das da unter
allzuviel Ballast verschüttet liegt. Ist das nun Hippiekitsch
reinsten Wassers oder ist da tatsächlich was dran? Stoff für
ausufernde Diskussionen bietet dieser seit der Antike bewährte
erzählerische Topos allemal. MADDRAX jedenfalls macht die Probe aufs
Exempel und schickt die Serie, die sich zuletzt als komplexe
SciFi-Saga präsentiert hat, für eine Episode in die Felsensümpfe
von Novis, um sich auf das zu besinnen, was sie mal war: Eine Pulp-Serie. „Ausflug ins Grauen“ ist der aktuelle Roman von
Christian Schwarz betitelt, der auch als eine Verbeugung vor einem
„echten
S(c)hocker“
gelesen werden kann, so überdeutlich ist ihm der Verweis auf den
1973 erschienen Heftroman Konga,
der Menschenfrosch
von Jürgen Grasmück aka Dan
Shocker
eingeschrieben. Und so wie dieser Klassiker ist die aktuelle
Maddrax-Episode eher trashig als wirklich gruselig, läßt es
aber dafür an Action nicht fehlen.
Es
genügt ein Blick auf die Zusammenfassung, um zu erkennen, wie hier
der Shasse zu laufen gedenkt. Eileen, Barbarin von den 13 Inseln, ist
auf dem erdähnlichen Mond Novis gestrandet. Dort kann sie sich
nützlich machen, indem sie die Alien-Schrift der Pacinowa zu
entziffern hilft, da eine Linguistin oder ähnliche Fachkraft
offenbar grad nicht zur Hand ist. Damit ihre telepathische
Übersensibilität sie aber nicht an dieser Aufgabe hindert, zieht
sie sich in Klausur in eine Hütte in den Sümpfen
zurück. Dasselbe Ziel hat auch eine Gruppe problematischer
Jugendlicher, die hier durch ein bißchen Survival-Training lernen
soll, sich den Gepflogenheiten der der Zivilisation anzupassen. Doch
alles pädagogische Kalkül ist zum Scheitern verurteilt, wenn man
die Gefahren unterschätzt, die hier draußen lauern. Zugegeben: Ein Blick auf
das Cover verführt auch die Leser dazu, die
Monsterpopulation der Woche auf die leichte Schulter zu nehmen. Diese
tranig-melancholisch dreinblickende Amphibie mit Bauchnabel (!) soll
der intelligenzbegabte Anführer einer Monsterrasse mit dem knuffigen
Namen Kwötschis
sein? Und schon ist die Falle zugeschnappt, und wir befinden uns
mitten in einem Angriff auf die Jugendlichen, der dann doch noch
ziemlich gefährlich wird – zur Demonstration, wie
gefährlich die mutierten Kröten mit den Reißzähnen tatsächlich
sind, wird eingangs schonmal ein Pärchen Wilderer geopfert. Denn
dass es hier Opfer unter den Kindern von Sinsati, echten
Leserlieblingen, gäbe, das wäre dann wohl doch eine Spur zu heftig.
Abgerundet
wird das Abenteuer mit einer komplett überflüssigen Nebenhandlung
um die glückende und trotz eines hanebüchenen Zufalls nicht zu
verhindernde Flucht Jacob Smythes vor seinen Verfolgern: Die
Protagonisten der Serie müssen offenbar noch ein bißchen Zeit
rumkriegen, ehe es ins Zyklusfinale geht. Und so läßt mich die
Lektüre mit gemischten Gefühlen zurück. Christian Schwarz ist ein
echtes Urgestein im Autorenteam, der erst kürlich mit Nachbeben
einen grandiosen Beitrag hingelegt hat. Im Vergleich dazu ist
„Ausflug ins Grauen“ tatsächlich eher ein Scherzchen und eine
augenzwinkende Hommage an den Vater des BRD-Groschengrusels, dessen
zahlreiche Heftchen ihren Kultstatus durch reichlich
beknackte Plots begründen. Und der Spaß, den Schwarz hier beim
Schreiben hatte, überträgt sich durchaus auch beim Lesen.
Angesichts der Verdichtung der Gesamthandlung auf einen epischen
Showdown hin wirkt dieser kleine Trip ins Grüne allerdings merkwürdig
deplaziert, und wäre als Schnapszahl-Ausgabe, zu Karneval oder am Save-the-frog-day vielleicht besser zur Geltung gekommen.
[In leicht
verändertert Form wird dieser Blogbeitrag auch zeitnah auf
phantastik-news.de erscheinen.]
Sowohl das zweiundzwanzigste Jahr Ihres
Bestehens, als auch der achtzehnte Zyklus der Romanheftserie laufen
mit Riesenschritten auf ihr Ende zu. Für eine Reihe, der nicht
wenige Stimmen zu ihrem Beginn keine allzu lange Lebensdauer
prophezeit hatten, ist das mehr als beachtlich. Der wilde Mix aus den
verschiedensten phantastischen Genres sei viel zu unentschieden, war den Leserzuschriften zu entnehmen. Offenbar ist aber genau dieses
Alleinstellungsmerkmal auch das Erfolgsrezept.
Eine Genrebestimmung fällt im
aktuellen Roman von Michael Edelbrock besonders schwer. Vorab gesagt:
Kurzweilig und unterhaltsam ist „Erschütterungen“ auf jeden
Fall. Es ist zeitgleich die Geschichte eines Attentats, ein Dungeon-
und ein Wüsten-Abenteuer. Mutationen kommen drin vor und ein
Raumschiff. Eine eher für ihre Unberechenbarkeit bekannte Figur
entwickelt überraschend Nestbautrieb und Muttergefühle, Kölner
Lokalkolorit wird versprüht wie in einem Regio-Krimi und auch mit
Comedy-Elementen geizt der Autor nicht. Als Leser stehe ich dieser
Mischung machmal etwas ratlos gegenüber, denn nicht alles ist
gleichermaßen gelungen.
Neo-Barbar Rulfan hat in seiner
Parallelwelt die Daa'muren erneut besiegen können und kehrt nun in
das andere Coellen zurück, um seinen Sohn wiederzusehen. Dort macht
er Bekanntschaft mit Kormak, der plötzlich auf der Seite der Guten
zu stehen scheint. Als ruchbar wird, dass die ganze Innenstadt der
Metropole einem verheerenden Sprengstoffanschlag zum Opfer fallen
könnte, kooperieren die beiden, um das Unglück zu verhindern.
Parallel dazu nisten sich Haaley und Ewig-Antagonist Smythe in einer
Aussteigergemeinschaft in Afra ein – ein zweiköpfiges Löwenbaby
und Pläne zur Weltherrschaft im Gepäck.
Michael Edelbrock legt hier seine
zweite Arbeit für die Serie vor. Wie aller Autor☄innen des Teams,
schreibt er einen modernen, leicht zugänglichen Stil, der
Einfältigkeiten meidet und Klischees durch Ironie konterkariert.
Wunderbar anrührend ist zum Beispiel die Szene, in der der
muskelbepackte Rulfan emotional überfordert ist, seinem Kind, das in
dem Jahr seiner Abwesenheit zum Teenager geworden ist, zu begegnen.
Gut, dass er die patente Reese an seiner Seite hat. Auch während der
Expedition in die Unterwelt der Domstadt kann Edelbrock sein
humoristisches Talent voll ausschöpfen – irgendwo zwischen
Ekeltraining und Skurrilität zeigt er eine rabenschwarze Lust an
Garstigkeit, die mir im Kosmos der Serie so noch nicht begegnet ist
und ausserordentlich gefällt. Die Handlung um den Irrwisch Haaley
und ihr geplagtes Professorchen jedoch wirkt – von den für meinen
Geschmack zu albernen Disney-Bezügen abgesehen – deutlich zu
konstruiert. Mit Haaley hatte Ian Rolf Hill zu Beginn des Zyklus eine
extrem schillernde Figur in die Serie eingeführt, die nun erstmals
von einem anderen Autor fortgeführt wird. Auch wenn Michael
Edelbrock das ganz ordentlich macht, werde ich den Verdacht nicht
los, dass Choyganmaa Aksinja
Jevdokija Ewgenija Iwanowa mit
dem tollen Roman „Sein oder Nichtsein“ im Grunde auserzählt war
– ein heller Stern, der irgendwann auch mal verglüht. Doch ich lasse mich gern
eines Besseren belehren, denn, soviel Spoiler sei erlaubt, am Ende
der „Erschütterungen“ steht die Figur an einer Stelle, an der
ich sie niemals vermutet hätte. Dass außerdem Coellen, dem im
Maddraxiversum immer wieder eine zentrale Rolle zukam, am Ende dieser
Episode in Trümmern liegt, das ist schon ein dickes Brett in der
Gesamthandlung und macht dem Titel alle Ehre. Aber solange der Dom noch steht …
[In
leicht verändertert Form wird dieser Blogbeitrag auch zeitnah auf
phantastik-news.de erscheinen.]
Was
ich mir nicht verkneifen mag: Den Hinweis auf einen tollenUrban-Fantasy-Roman, an den mich mich, nicht zuletzt des
Kronleuchtersaales wegen, bisweilen bei der Lektüre von
„Erschütterungen“ erinnert fühlte …
Ach, kenn ich doch alles. In meinem Beruf als Theaterschaffender bin ich schon immer mit der Frage "Warum Theater?" konfrontiert - mal konkret als Kürzungs- oder Schließungsvorhaben der Stadt, in der ich gerade beschäftigt bin, mal ganz allgemein mit Diskussionen bei Familientreffen, im Sportverein, am Kneipentisch. Bei einer Kita stellt sich die Frage halt nicht. Da weiß jeder, wozu wir sie brauchen. Aber brauchen wir auch Theater? Zumal ein professionelles, das mehr kostet, als es je einspielen kann?
Im deutschsprachigen Raum sind es die großen Musicalbühnen oder kleine Privat- und Tourneetheater, die gänzlich ohne staatliche Zuschüsse auskommen. Im Verbund mit oft prekären Arbeitsbedingungen und massentauglichem Programm gelingt das vielen schon irgendwie. Vielen aber auch nicht. Und willste eher künstlerisches, gesellschaftlich relevantes (was auch immer das sein mag), gar experimentelles Theater auf die Bühne (oder Außenspielstätte) zaubern, geht es ohne Finanzspritzen nicht. Im deutschsprachigen Raum übernehmen das in der Regel Bund, Länder und Gemeinden - anderswo finanzieren sich künstlerisch ambitionierte Vorhaben durch Crowdfunding, Mäzene, Selbstausbeutung und Gastronomiejobs.
Und immer wieder die Frage: Wenn das doch eh keiner mehr sehen will? Wenn der Theaterbesuch kein gesellschaftliches Ereignis ist, sondern nur noch einer akademisch versierten Bubble als Distinktionsmerkmal dient? Ist es dann sein Geld noch wert? - Wie unterschiedlich auch immer diese Frage beantwortet werden mag - als Arbeiterkind bin ich immer etwas genervt, wenn es heißt, die Schaubühne sei eh nur (noch) ein Sekt- und Häppchen- Vergnügen für eine aussterbende Bildungselite. Mich jedenfalls hat der/das Theatervirus schon früh erwischt. Theater ist mein Lebensinhalt, ohne Wenn und Aber. Ich kann ein kommerziell erfolgreiches Musical ebenso feiern wie eine 7stündige nervige Klassikerdekonstruktion mit 10 Kilo Foucaultzitaten. Das unverständlicheTanz- und Multimedia-Experiment ebenso wie die krachende Pupswitzkomödie. Wenn ... ja wenn was? Wenn die Qualität stimmt. Und die Attitude. Q+A. Wie aber das objektivieren? Wie das dem Skeptiker vermitteln? Das Theater ist in einer Krise. Und der kritischen Ausleuchtung des eigenen Schaffens muss man sich stellen, so der Kulturjournalist Jakob Hayner in seinem Bändchen "Warum Theater?", das 2020 bei Matthes und Seitz erschienen ist. Und das mir angesichts einer erregten Diskussion, wie politisch wir sein müssen, und was politisches Theater überhaupt ist, und ob das nicht eh alles preaching to the converted sei, ans Herz gelegt wurde. Jetzt habe ich es gelesen.
Hayner meint es gut, dennoch werde ich mit seinem Text nicht so wirklich warm. Wie immer bei mit allen Wassern der Theorie gewaschenen Marxisten, ist schon das Namedropping öde. Adorno, Marx, Benjamin, Zizek. Dazu der ewig gleiche Sermon vom Neoliberalismus, der ja so scheiße ist. Ja, ist er, nicht dass wir uns falsch verstehen. Die Ökonomisierung unseres Denkens, unserer intimsten Lebensbereiche. Ja, seh ich ähnlich. All die Depression, die Warenförmigkeit, die Ausbeutung, die Oberflächen. Laberlaber. Auch wenn Hayner grundsätzlich in die richtige Richtung stößt. Das Spiel, die Lust an der Verstellung, am Exemplarischen, die Mimesis sind die ursprünglichen und entscheidenden Triebkräfte der Bühnenkunst. Und nur sie können und werden das Theater auch zukünftig legitimieren. Der Weltentwurf. Die Welt als Bühne, wo das Unsagbare einfach ausprobiert werden kann. Spielerisch, vor und mit dem Publikum.
Damit positioniert sich Hayner deutlich gegen das Performative a la Ambramovic, das gerade so en vogue ist und die Begleitmusik zur aktuellen, x-ten Krise des Theaters der Gegenwart spielt. Da rennt er einerseits bei mir durchaus offene Türen ein, denn allzuviel Stuss musste ich da schon erleben, zuviel nervige und fruchtlose Debatten über Identität, Authenzität und Postdramatik führen, zuviel gut gemeinte, aber schlecht gemachte Studi-Amateur-Kacke aushalten. Interessant, aber für nen Marxisten auch nicht allzu überrschend ist die ausführliche Argumentation, das (verhaßte) Performance- und Diskurstheater sei in seiner Rückwärtsgewandtheit die gleiche Sauce wie Hippiekunst-Happenings und die Kulturtheorie der (geliebten) Romantik. Welche Theatermacher (Gendern in diesem Falle unnötig) bringt Hayner aber dagegen in Stellung? Brecht und Becket. Dazu Theorie Theorie Theorie. Nicht mal Dario Fo hat er aufm Schirm, der es doch seinerzeit verstand, all diese politischen Ansätze in ein lebenspralles, anarchisches, unverkopftes Volkstheater zu überführen. Aber auch das ist schon lange her. Alle Fotos von dem Theater dieser Zeit sind noch schwarz-weiß. Und damit sollen wir fit und - vor allem - unentbehrlich für die Zukunft werden? Weiß nich.
Mit den Bänden "Rulfans Rückkehr" und "Die letzte Schlacht" legt das MADDRAX-Team einen Zweiteiler vor, der den Fokus radikal vom aktuellen Seriengeschehen weglenkt und einen Handlungfaden aufgreift, der fast zwei Jahre auf dem Buckel hat und zudem einem anderen Handlungszyklus entstammt. Als im Jahre 2550 die Erde von aufpoppenden Parallelweltarealen geradezu perforiert wurde, kam auch der Neo-Barbar Rulfan von Coellen zurück ins Maddraxiversum, allerdings als sein eigener Doppelgänger aus einer anderen Dimesion - dort kämpfte der einstmals treueste Freund des Titelhelden nach wie vor gegen jene außeridischen Invasoren, die in der Hauptwelt der Reihe längst besiegt waren. Und kehrte auch wieder ins Kriegsgeschehen zurück, um die Seinen in ihrem verzweifelten Kampf nicht im Stich zu lassen. Lediglich Frau und Sohn verblieben im vermeindlich gesicherten Coellen. Seinerzeit bemängelte ich, dass Rulfan es sich mit seiner Entscheidung einfacher machte, als der betreffende Romantitel mir zunächst suggeriert hatte. Wie konnte ich denn auch ahnen, was da alles auf den Sword&Sixpack-Albino zukam? Vermutlich hätte ich mich mich demütiger geäußert, denn der Krieg gegen die übermächtigen Daa'muren ist wahrhaftig kein Zuckerschlecken, wie es sich nun in den vorliegenden Bänden zeigt, die Maddrax-Routinier Ian Rolf Hill und die Hamburger Autorin Lara Möller in Teamarbeit verfasst haben. Neuzugang Lara Möller ist zur Zeit zwar überwiegend im Krimi-Genre aktiv, hat aber zuvor bereits einige erfolgreiche Romane zum Shadowrun-Universum veröffentlicht und fühlt sich in postapokalyptischen Fantasy-Gefilden sowohl heimisch als auch quietschfidel, wie man beiden Romanen anmerken kann.
Als also Parallel-Rulfan samt seinem Lupa in die bedrohte Welt zurückstolpert, versperrt er Reese den Weg, einer jungen Frau, die ebenfalls die Seiten wechseln wollte, um ihrem kleinen Bruder, für den sie Sorge trägt, nachzufolgen. Sie verliert durch den Zusammenstoß wertvolle Sekunden; das Dimensionsportal schließt sich und Reese, ist verdammt, in einer kriegerischen Welt zu bleiben, die dem Untergang geweiht ist. Da kann sie sich auch gleich dem Treck anschließen, der nach Ruland zieht, um den Widerstand zu stärken, der Gerüchten zufolge dort noch am hoffnungsvollsten ist. Auf dieser Prämisse fußt die erste der beiden Episoden, und das Autorenduo macht mit leichter Hand eine Art Serviceheft für die Leserschaft daraus: Im Verbund mit einem grandiosen Cover, das auch als Miniposter beiliegt, kommt nicht nur ein Lieblingscharakter zurück und mit Reese eine starke Frauenfigur dazu, obendrein kriegen die Fans auch ihr ersehntes Reiseabenteuer mit lupenreinem Low-Fantasy-Feeling, das sie momentan so schmerzlich vermissen und das auch immer wieder kundtun. Nach "Rulfans Rückkehr" sollten alle diesbezüglichen Bedürfnisse erst einmal befriedigt sein - es gibt ausreichend Monster und Stämme, dramatische Verluste, Hoffnung und Verzweiflung auf dem langen Weg nach Moska. Als die Gruppe sich trennt, muss Reese sich als Anführerin beweisen, und Lara Möller, die für diesen Handlungsstrang verantwortlich zeichnet, läßt tiefe Einblicke in die Seele der jungen Frau zu. Beide Autor☄innen pflegen überdies einen wunderbar bildhaften, klaren Stil, der stets mitreißt, ohne allzu reißerisch zu sein. Und ein bisschen reißerisch ist im Romanheft ja gewollt. ;-)
Mit Understatement ließe sich das, was sich dann im zweiten Teil ereignet, auch schlecht erzählen. Hill und Möller spannen, kaum daß beide Tracks das zerstörte Moska erreichen, den narrativen Horizont weit auf und mobilisieren mit dem Mut der Verzweiflung beinahe alles, was das Maddraxiversum zu bieten hat, um in die titelgebende "Letzte Schlacht" zu ziehen - Takeo und die Oase der Hundert, den Weltrat, und und und. Die Ereignisse überschlagen sich, Actionszenen und Verhandlungen auf diplomatischem Parkett geben sich die Klinke in die Hand. Mittendrin Reese, in deren jungen Händen mit einem mal das Schicksal der Welt liegt. Schlüssel zum Erfolg ist ein Virus, dessen Entwicklung wir über beide Romane in einer formidabel konzipierten Nebenhandlung verfolgen durften. Dazu noch ein paar Remiszenzen an die Metro-Reihe und gar Rambo - der Zweiteiler ist in seiner Summe ein gesättigtes Lesevergnügen, an dessen emotionalem Ende ich mir gar ein Tränchen verkneifen mußte.
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Wie
eine Perle zwischen Austernschalen, oder, etwas bodenständiger, das
Tofupatty zwischen seinen Brötchenhälften, präsentiert BASTEI eine
grandiose MADDRAX-Folge; ein wenig eingeklemmt von zwei epischen
Zweiteilern, von denen der bereits erschienene den Kampf der
Menschheit um den Flächenräumer, der bald kommende das Schicksal
des Neo-Bararen Rulfan auf einer von Daa'muuren beherrschten
Parallelerde erzählt. Doch Christian Schwarz' Serienbeitrag braucht
sich hinter soviel Bombast nicht zu verstecken, zumal auch
in Nachbeben großes Besteck zum Einsatz kommt. Ein
politisches Ringen zwischen Wahrhaftigkeit und der Aufrechterhaltung
des Status Quo hat apokalyptische Folgen für Cancriss, den
Heimatplaneten der Pancinowa – aus jeder Pore der Heftromanserie
kann man den Showdown schon riechen, der zum Jahreswechsel den
Zyklus beschließen wird. Für die dann folgendende Nummer 600 hat
Redakteur Michael Schönenbröcher aka Mad Mike einige
Veränderungen angekündigt; da gilt es also nun, eine Vielzahl von
Handlungsfäden zu einem schlüssigen Ende zu führen. Kein Wunder,
dass sich da der Blick auf die kosmischen Zusammenhänge weitet, und
dass sich das Ergebnis dann eher wie Blockbuster-Kino denn wie
Bahnhofsliteratur liest, gefällt mir außerordentlich.
Bereits
seit Jahrhunderten halten die Pacinowa einen Oqualun, will heißen eine
Art intelligenten Asteroid, gefangen. Die Energie, die sie ihm
stehlen, garantiert einen gigantischen Wohlstand und ein technisches
Niveau, das schlicht atemberaubend ist. Von Präsidentschaft zu
Präsidentschaft wird das Staatsgeheimnis streng gehütet, denn der
ethische Preis ist enorm: Nicht nur werden die Arbeitenden, die den
High-Voltage-Klops bewirtschaften, als vermeidliche „Auswerwählte“
in Unwissenheit und Isolation gehalten; auch der Wandler selbst
erlebt, in einen tranceartigen Zustand versetzt, eine alptraumhafte
Dauerschleife. Angst macht halt ergiebig. Eine gesellschaftliche Bewegung,
die endlich Aufklärung über die alten Gerüchte vom „Gott im Eis“
fordert und akribisch Indizien sammelt, wird als
Verschwörungstheoretiker diffamiert. Ihnen nahe steht das
Ratsmitglied Dibanjo, das seine Chance gekommen sieht, den
konservativen Präsidenten Lepmurt abzulösen. Als ein sensationeller
Museumsfund (eine klasse Szene!) den Verdacht erhärtet, dass die pancinowische Geschichte
umgeschrieben werden muss, stehen sich zwei Machthungrige gegenüber,
von denen keiner sonderlich sympathsich ist. Barbarin Eileen, die mit
einem telepathischen Sinn begabt ist, begleitet Dibanjo bei seiner
Nordpolexpedition, um Kommunikation mit der versklavten Entität
herzustellen. Doch sie erfährt nicht nur die Geschichte des Steins,
sie offenbart diesem auch die Wahrheit über seine Lage – der Asteroid
will Rache....
Diese
spannende Prämisse gipfelt nicht nur in einem atemberaubenden
Finale, sondern spiegelt auch eine brisante gesellschaftliche Frage:
Der Eine wahrt Wohlstand und Frieden in einer Gesellschaft um den
Preis von Ausbeutung und Verschleierung. Der Andere fordert
Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit, setzt dabei aber in einer
bestürzenden Mischung aus Machthunger und Naivität das Überleben
einer ganzen Zivilisation aufs Spiel. Diese fiktionale Zuspitzung
aktueller Debatten angesichts der derzeitigen
multiplen Krisen ist äußerst gelungen. Zusammen mit Christian
Schwarz' meisterhaftem Erzählton ist „Nachbeben“ ein wahrer
Höhepunkt des aktuellen Zyklus.
Viel
Weltraum-Oper, interstellare Erzähllinien, kosmischen Entitäten,
Fremdwelten, Aliens, weite Wege durch Zeit und Raum: Im Fandom wird
zur Zeit vermehrt diskutiert, ob eigentlich noch „typisch Maddrax“
ist. Im Moment sei die Reihe, so lauten einige Stimmen, mehr Perry
Rhodan als Perry Rhodan selbst. Andere weisen zu Recht darauf hin,
dass eine Romanserie sich über einen Zeitraum von fast 23 Jahren
natürlich verändern muss. Entspringt die Sehnsucht vieler
Leser☄innen (ich schließe
mich selbst da ein) nach waghalsigen Ritten auf Frekkeuschern,
Lischettenpampe im Mutantenschungel und dem immer wieder staunenden
Blick, was aus unserer schönen Erde 500 Jahre nach dem
Asteroideneinschlag für ein bizarrer Wisaau-Haufen geworden ist, bloß
einem nostalgischen Reflex, der, käme das Autorenteam ihm
tatsächlich nach, eher für Gähnen als Spannung sorgen würde? Das
größte Pfund von Maddrax, finde ich nach einigem Nachdenken über
diese Frage, ist und bleibt jedenfalls der Humor und die
Experimentierlust der Serie. Ohne diese Komponente wäre ich sicher nicht
so lange dabeigebelieben. Daher ist das Typischte an MX vielleicht: Die
Überraschung. Der Genremix garantiert eine nimmerleere Wundertüte,
und wenn sich die Gewichtung mal von Low Fantasy und Horror (mag ich
sehr) zu Military Action und Weltraumspektakel (weniger mein Ding,
dafür aber vielleicht die Leidenschaft anderer … ) verschiebt, ist das
absolut okay. Wichtig ist vielmehr, dass ich nie genau wissen kann,
was mich im nächsten oder übernächsten Heft erwartet. Und nicht
jeder erzählerische Versuch, jeder Plot, jede Wendung muss dabei
gelingen, das ist auch ganz wichtig. Lieber mutig danebenhauen, als
pflichtschuldig dem Schema F folgen. Oder, wie ein weiser Mann mal
sagte: Wer dem Publikum nachläuft, sieht ohnehin nur seinen Arsch.
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Mein Lieblingscomic aus dem Weissblechverlag .... Low Fantasy vom Feinsten und immer wieder eine lesenwerte Hommage an die Schwert-und-Mucki-Trashkultur. Nachdem die Wolfsschwänzin jüngst ein längeres zusammehängendes Abenteuer überstanden hat, präsentiert das aktuelle Heft Der Troll von Huldurheimnun zwei Stand-alone-Geschichten. Die Titelstory hat einen hübschen Twist und Der lange Arm Savaras mit Kenturon Stratto einen fiesen Antagonisten, dem man seinen spektakulären Tod per Flaschenzug so richtig von Herzen gönnt. Die schlitzohrige Schiffsbesatzung unter Kapitänin Shalka hält, trotz zahlloser Charakterschwächen, gegen eine Law-und-Order-Staatsmacht stets zusammen. Von Eckart Breitschuh im Alleingang geplottet und gezeichnet. Schlicht und gut.
Eine Kurzgeschichte, so kurz, lakonisch und unspektakulär, dass ich nicht viele Worte darüber verlieren sollte. Schön auch. Erschienen bei SuKuLTuR, deren ans Reclam-Leseerlebnis angelehnte Broschüren mit Lyrik, Kulturtheoretischem und Experimentellen in Automaten(!) und per Web vertrieben werden. Ein sympathisches Projekt - das große WOW - Erlebnis ist bei mir allerdings bisher ausgeblieben.
Das ändert auch die vorliegende Story nicht. Dennoch mochte ich sie. Die Mutter der Ich-Erzählerin reist jeden Spätsommer aus Polen zu ihrer Tochter nach Deutschland, um sich dort von Medizinern auf Herz und Nieren durchchecken zu lassen. Der Blutdruck, das Muttermal ... auch diesmal ist zum Glück alles in Ordnung. Doch schon bei der Abholung am Flughafen ist nicht zu übersehen: Sie wird älter, gebrechlicher. Krankheit und Tod werden bald kommen. Diesen September ist es aber noch nicht soweit.
Erkennen, das die eigenen Eltern ihren Zenit überschritten haben: Eine seltsam bittere Erkenntnis, mit der fast jeder von uns im Leben zu tun bekommt, früher oder später. Ein berührender, persönlicher kleiner Text, passend zur Jahreszeit.
Mit
dem Einbiegen des Weltenriss-Zyklus in die Schlusskurve kredenzt Ian
Rolf Hill der geneigten Leserschaft einen Zweiteiler, der die Bergung
des Flächenräumers von einem Asteroiden zum Ausgangspunkt hat.
Dabei handelt es sich um eine Art außerirdischen
Raum-Zeit-Staubsauger, der überdimensionierte kosmische Entitäten
in eine weit erntfernte Zukunft verbringen kann – sollen sich
später andere Generationen darum scheren. Im Real-Life kennen wir das vom
Atommüll.
Im
Falle der aktuellen Serienhandlung ist es ein Streiter, der entsorgt
werden muss – eine planetenfressende, intelligente Wolke, die mit
den unenedlichen Weiten des Alls eine gut bestückte Lunchbox
vorfindet. Beides, Streiter und Flächenräumer, sind aus der
Seriengeschichte recycelte Handlungselemente, und wo BASTEI schon bei
Wiederaufbereiten ist, kommen hier auch noch ein von früher bekannter Stein mit üblen Eigenschaften
sowie eine Schwarmintelligenz namens One ins Spiel. Überhaupt, so mag
ich ein vorsichtig-vorläufiges Resümee versuchen, hat der
aktuelle Erzählbogen der MADDRAX-Serie so einigen verschollenen
Figuren und Schauplätzen eine Laufzeitverlängerung beschert. Das
war sicherlich nötig: Nach einem starken ersten Drittel, in denen
sich ein finsterer Kult aus einer lovecraftartigen Parallelwelt
anschickte, die Welt zu erobern, machte sich plotmäßig eine leicht
ermüdende Routine bemerkbar. Eine Erweiterung auf eine erweiterte
Bedrohung, eben jenen Streiter, brachte Komplexität in die Handlung
und hat beim Lesen Freude bereitet. Nun wird es die Aufgabe des
Autor☄innenteams sein, in den verbleibenden neun Episoden die
zahlreichen Fäden zusammenzuführen und zu einem Finale zu
verschmelzen, dass dem grandiosen Auftakt der Romane „Dunkle
Gegenwart“ und „Dunkle Vergangenheit“ gerecht wird.
Worum
geht es in „Mission Flächenräumer“ und „Der Medusa-Effekt“? Eine Expedition reist per Wurmloch zu besagtem Asteroiden im
Ringplantensystem, darunter mit Matthew Drax, Aruula, Victorius und
Quart'ol alte Serienbekannte. Aber auch zwei interessante neuere
Frauenfiguren, die IngenieurinTriell und Commander Ashley Mara,
sowie viele Nebenfiguren befinden sich an Bord der PLASMA. Als hätte sich die Bergung des
desolaten Flächenräumers nicht als ohnehin kompliziert erwiesen,
scheint Drax auch noch die Zielscheibe von einigen Attentaten und
Sabotageversuchen zu sein, die nicht nur sein Leben, also auch noch
die ganze Mission gefährden. Der Pacinowa Justipluu macht sich an
die Ermittlungsarbeit...
Das zweiteilige Weltraumabenteuer präsentiert sich als reichhaltiger SciFi-Mix. Ian
Rolf Hill verweist die Actionsequenzen diesmal deutlich in den
Hintergrund zugunsten einer Space-Opera, die ihr zahlreiches Personal
so liebevoll und lebensnah beschreibt, dass ich mich als Leser
zuweilen gar an Becky Chambers „Wayfarer“-Romane erinnert
fühle. Der Kriminalfall sorgt für etwas Hercule-Poirot-Flair,
auch wenn die Identität des Attentäters keine wirkliche
Überraschung ist. Dazu mischt sich sich klaustrophobischer Space-Horror. Doch dass - und vor allem wie! - eine große und
äußerst heterogene Raumbesatzung es schafft, Problem um Problem zu
lösen und gemeinsam einen Trip, der nach und nach zu einem wahren
Albtraum wird, zu überstehen, das ist dem Autor nachdrücklich
gelungen; Vergleichbares habe ich in dieser Serie bisher noch nicht
gelesen. Ein wirklich typisches Maddrax-Abenteuer liegt hingegen nicht vor. So viele interstellare Bonusmeilen werden hier
gesammelt, dank Wurmloch-Generator ohne nennenswerten Aufwand, dass der
eigentlich postapokalyptische Flair der Reihe nicht bedient wird. Zum Ausgleich gibt es eine flirrend-paranoide Atmosphäre, starke Szenen, Charaktere mit Tiefgang und Schicksale, die in die Magengrube fahren und ganz sicher, wie etwa im Fall von Victorius oder Xaana, auch einen Impact auf die kommenden Ereignisse haben werden.
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Der Sommer war sehr groß, kann man wohl sagen - angesichts der Trockenheit und Hitze auch ein Anlass, mich lesetechnisch mit mehr politischem Klimawandel-Kram einzudecken. Den acker ich dann aber erst durch, sobald das Wetter wieder regnerischer wird. Und im Anschluß teile ich schließlich der Welt mit, was wir jetzt tun sollten!
Zwischen Freibad und Biergarten war dann auch nur Platz für wenige Ausflüge in die Welt der leichten bis ganz leichten Muse: Lewis Trondheims Herr Hases Hases haarsträubende Abenteuer Band 8 zum Beispiel - Die Farbe der Hölle. Eine tolle, federleichte, irgendwie sehr offene Comic-Erzählung über schräge Typen, verbissene Aktivisten und Liebesbeziehungen, die unverhofft zu eng werden. Durch mein unchronologisches Lesen bin ich ja leider schon gespoilert, dass Nadja und Herr Hase sich trennen werden. Gar nicht gut für meine romantschen Nerven.
Comics, Comics, Comics: Hammerharte Horror-Schocker #65 bringt den Schleim zurück, wie schon im Vorgängerband ist die zweite Story besser als die Titelgeschichte: Der Todesengel von Luxor von Michael Musal und Nina Beier hat eine tragische Wendung und fängt aufs Herrlichste das nostalgische BASTEI-Gespenstergeschichten Feeling ein. Seltsam? Aber so steht es geschrieben.... - Der Haken ist der vorletzte Band von Regis Loisels famoser Peter-Pan-Adaption und haut kurz vorm Grande Finale noch ne steile These raus: Ist gar Hook der Vater des Jungen, der nicht erwachsen werden wollte? - Und in Something Is Killing The Children Band #22 und #24 bekommt es Erica mit Intrigen im eigenen Haus sowie mit einem Gestaltwandler zu tun, der sein Maul im Magen hat. Fies.
Eher überflüssig fand ich dagegen "I can't relax" von Anja Kümmel und Jenny Schäfer, erschienen bei SuKuLTuR, wo es irgendwie um Überwachungstechnologie und so gehen soll. In dem performativ-akademisch-selbstverliebten Textgeblubber verbirgt sich bei näherem Hinsehen nicht ein einziger aufregender Gedanke, aber dafür viel Blabla, das die Bubble ja so mag. Zum Glück gibt es noch Maddrax, und mit Band 444 - Das Pulsarium servierte Oliver Fröhlich schon 2017 eine für 2022 sehr zeitgemäße Fantasygeschichte - Energieverschwendung, Gier, Krise, Sparzwang ... - eingebettet in ein herrlisch trashiges Setting mit Eremit und Monsterhummern. Geil. Genauso wie das Interview mit der Co-Autorin Madleine Puljic, die ich für ihren PR-Roman Feind der Harthäuter sehr schätze.
„Die
Revolution ist wie Saturn, sie frißt ihre eigenen Kinder,“ lässt
Georg Büchner seinen Namensvetter George Danton sagen, bevor die
konkurrierende Clique um Robbespierre den einstige Helden der
Revolution aufs Schafott schickt. Dieser Ausspruch hat es von der
Bühne zum geflügelten Wort gebracht – und kommt abgewandelt auch
in Michael Edelbrocks Maddrax-Debüt vor. Dort ist es die
lovecraftartige „Dunkle Stadt“, die nun ihre Anhänger
verschlingt, um ihr finsteres Herz nach einem derben Rückschlag
wieder zu stärken. Wie die Lemminge folgen die Jünger des Kultes zu
Hunderten dem Dunklen Ruf, so der Name dieser Episode.
Doch
was ist das dunkle Herz? Woraus besteht es, und warum wirkt es so
zerstörerisch? Ist es organisch, ist es geistig, ist es eine
Maschine? Nun, da die Leser☄innen dem aktuellen Zyklus schon
anderhalb Jahre folgen, lässt Edelbrock durchblicken, dass alle
bisherigen Spekulationen offenbar an der Wahrheit vorbeigingen. Damit wirft sein Einstieg ins Autorenteam der Leserschaft umgehend
einen saftigen Brocken hin.
Auch
sonst hält Der dunkle Ruf so einiges bereit: Zum Einen muss,
nach ausführlichen Trips in andere Handlungsstränge, der Fokus auf
den Ausgangskonflikt wieder scharf gestellt werden. Außerdem führt das
Heft die Wege verschiedenster Figuren zusammen und zeigt, wie das
Problem mit dem erstarkenden Bösen von verschiedenen Seiten
gleichzeitig angegangen wird. Das ist wahrlich keine leichte Aufgabe,
doch Michael Edelbrock löst sie ganz zufriedenstellend, wenn auch im
mittleren Drittel die Gemengelage so unübersichtlich ist, dass die
Spannungkurve eher bei Niedrigwasser vor sich hindümpelt. Zum
Ausgleich spielt der Roman auf anderen Feldern seine Stärken
voll aus, und Edelbrock lässt nicht den kleinsten Zweifel daran,
dass er gut schreiben kann. Sein Umgang mit Sprache ist nicht nur
angenehm frei von abgegriffenen Floskeln; im Dunklen Ruf finden
sich auch richtig starke Passagen. Besonders der Anfang ist
atmosphärisch und dicht. Zur Beschreibung der zum Leben
erwachenden Architektur findet der Autor eindringliche Sprachbilder.
Auch das Ende, bei der eine bisherige Nebenfigur eine unerwartete
Haputrolle spielt, der Daa'mure Soro, entwickelt beinahe epische
Wucht. Dass Edelbrock sich ausserdem immer wieder die Zeit läßt,
die emotionalen Beweggründe seiner Figuren auszuleuchten, sie in
aller Ruhe denken und reflektieren zu lassen, ist toll.
Über
viele Jahre waren der Titelheld der Serie und seine Gefährtin Aruula
durch einen Tachyonenmantel vor dem physischen Älterwerden
geschützt. Nun ist vermehrt Thema, so auch in diesem Roman, dass
Barthaar und Fingernägel wieder sprießen, weil der Schutz offenbar
nicht mehr funktioniert. Dazu ein bescheidenes persönliches Statement: Am
liebsten ist es mir ja, wenn in Reihen wie Maddrax und Co. das Altern
gar keine wesentliche Rolle spielt. Ob John Sinclair, Asterix oder
die Drei Fragezeichen – ein dezentes Ignorieren des Themas „Ich
werde langsam zu alt für so einen Scheiß“ ist mir hundertmal lieber als an
den Haaren herbeigezogene Technologien, die in so blöden Ideen wie
dem Zellaktivator (im Perryversum nebenan) kulminieren. Das mögen
andere anders sehen, und vielleicht wird die Suche nach relativer
Unsterblichkeit ja ein absehbarer Zeit noch ein Thema in der Welt von
Maddrax. Ich wollte nur mal kurz hüsteln und sagen: Mir zuliebe
müsstet ihr in solche Plots nix investieren. (Just saying.) Aber ich bin nicht allein auf der Welt, daher einfach: Weiterhin
frohes Schaffen!
Die drei vorangegeangenen Ausgaben in einem schnellen Abwasch: Hier.
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Ohne Maddrax is' auch keine Lösung. Zwar hatte ich mich zu einer Lesepause von drei Ausgaben verdonnert, denen ich mich dann am Ende des Sommers am Stück widmen kann. Weil ich meinen Fokus ein wenig auf andere Lektüren legen wollte. Ein Vorsatz mit Hintertür, denn er bezog sich ja nur auf die aktuelle Serie. Ältere Bände der geilsten Groschenromane der Welt buhlten nämlich nun verstärkt um meine Aufmerksamkeit, folgenden Heftchen wurde sie denn auch zuteil: MX366 - Tausend Jahre wie ein Tag von Sascha Vennemann, MX27-Ruf des Blutes von Timothy Stahlund MX443 -Die Erleuchtetenvon Jo Zybell. Vennemanns Beitrag changiert zwischen Iron Sky, Indie Jones und der Grundidee von Philip K. Dicks "Orakel vom Berge": Das nationalsozialistische Deutschland hat seinen Kampf gewonnen und eine arische Diktatur etabliert. Allerdings in einer Parallelwelt, die nun dank eines Artefakts auf der uns vertrauten postapokalytischen Erde auftaucht. Sensibles Thema, überbordende Satire: Reichsflugscheiben, ein durchgeknallter GröFaz, ein Robo-Adolf, dazu kaum einsatzfähige Reichsflugscheiben... eine gelungene Gratwanderung! Ebenfalls ein Conspiracy-Sujet, ebenfalls witzig und unterhaltsam, im direkten Vergleich jedoch ein eher harmloses Vergnügen: Jo Zybell dreht das Reptiloidenthema im Ringweltsystem auf den Kopf, weil die reptilienhaften Messisianer nun die Humanoiden fürchten. Das Personal hat Namen wie Puudin und Edoan, die Hauptstadt der Schwurbler heisst Schwurb'laa, das heilige Buch der Sekte trägt den Namen Dr. Axel Stolls. Tränen gelacht. Und "Der Ruf des Blutes" ? Der Blick zurück zeigt, wie sich gut, aber auch wie anders die Serie in ihren Anfängen war: Die Story um eine Nosfera-Jägerin und ihre jugendliche Community überrascht mit zwei Wendungen und geht (trotz oder wegen?) ihres simplen Strickmusters mehr an die Emotionen denn ans Zwerchfell. Von der Komplexität heuter Geschichten weit entfernt.
Wo wir schon bei Emotionen sind: Der Lichtwolf ist für mich eine der besten Entdeckungen der letzten Zeit, ich habe sogar - klarer Verstoß gegen einen eherne Vorsatz - über ein Abo nachgedacht. Klar: Für Publizierende, besonders für jene, die mit kleinen geilen Druckerzeugnissen die Nischen meines literarischen Interesses ausleuchten, sind abgeschlossene Abos Gold wert, weil sie Planungssicherheit ermöglichen. Allerdings hab ich dann keines gebucht. Und plötzlich der Knall: In Ausgabe Lichtwolf #74 mit dem bezeichnenden SchwerpunktWeitermachen!kündigt Herausgeber Hieronimus Schneidergger das Ende der 22jährigen Geschichte des Philo-Fanzines an. Ein Grund, das lässt er ganz klar durchblicken: Zuwenig verlässliche, regelmäßige Leserschaft. Viel Frust, finanzielle Einbußen. Offenbar Zeit, den Wolf wieder zurück in die Steppe zu lassen. Mehr als bedauerlich. Hätte mein Abo das Blatt vielleicht wenden können? Bei den Zahlen, die Schneidegger in einer betriebswirtschaftlichen Bilanz freimütig abdruckt, frage ich mich das ernsthaft.
Im Innern des Lichtwolfes dann wieder viele lesenwerte Artikel. Im Angesicht der kommenden Einstellung des Periodikums scheinen sie mir eindringlicher als sonst. Besonders Marc Hieronimus' Essay "Weitermachen? Bloss nicht!" ist ein finsterer Blick in den Abgrund, auf den unsere Hyperkonsum-Zivilisation verblüffend unbeirrt zurast. Dabei bezieht er sich auf die Arbeit des Philosophen und Theologen Ivan Illic ("Meine Arbeit ist ein Versuch, mit großer Traurigkeit die Tatsache der westlichen Kultur zu akzeptieren"), den er ausfühlich vorstellt. Kommt die große Einsicht von selbst? Ein Gespräch mit einer jungen FFF-Aktivistin im vergangenen Mai, an deren Name ich mich bedauerlicherweise nicht mehr erinnern kann, hat mich tagelang mit Hoffnung erfüllt. Die Waldbrände während meines Sommerurlaubs und die Tonnen von Plastikmüll, die am Ferienort produziert wurden, haben mir einen deprimierenden Dämpfer verpasst. Und ich war nur in Südfrankreich, nicht in Brasilien oder Mumbay. Den höllischen Kreis von Wachstumswirtschaft und Ausbeutung von MEnschen und Ressourcen zu durchbrechen wird bedeuten, sich auf ein radikal anderes Leben einstellen zu müssen. "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass," ist sicher kein funktionierendes Motto. - Auch herrlich, witzig, interessant oder inspirirend in dieser Ausgabe: Die Vorstellung des Alternativwolfs, Michael Helmigs Blick auf die antike Strömung der Bewegungsleugner anlässlich eines Athen-Besuchs, Ewgeny Kasakows True-Unrechtsstaat-Thriller um den polnischen Mehrfach-Staatsfeind Sobolewsky. Kackendreist: Druckfrisch und vom Feuilleton bejubelt hat sich Andrea Abreu mit ihrem Debut So forsch, so furchtlos auf meinem Lesestapel vorgedrängelt, denn es verbindet mehrere Motive, für die ich nicht nur generell empfänglich bin, sondern nach denen mir zur Zeit auch besonders der Appetit steht: Provinz, Prekariat, Pubertät. Und Südeuropa - Die vier P's also, wenn ich das vom Ende des Worts dazumogeln wöllte. Abreu erzählt das schmerzhafte Zerbrechen einer Mädchenfreundschaft auf Tenerriffa. Allerdings nicht an den küstennahen Urlaubsorten, wo die Eltern von Isora und ihrer Freundin, der Ich-Stimme, schuften müssen, sondern im Innern der Insel. Ihr Dorf ist die Hänge des Vulkans gebaut. Eine Begegnung mit einem blonden Touristenmädchen, das sich aus ihrem Resort in die struppige Wildnis der Vulkaninsel locken lässt, gehört dann auch zu den rätselhaftesten Szenen des Buches. Im Mittelpunkt steht aber ganz klar das sexuelle Erwachen der beiden Mädchen. Unberechtigt ist der Jubel um diesen kurzen Roman tatsächlich nicht: Der Sound ist eigensinnig, derb fäkal und sehr poetisch, Haupt- und Nebenfiguren zum Verlieben und Verzweifeln, die Atmosphäre ist schwül, drückend, abenteuerlich. Allerdings versaut das Ende einiges, da es einer erzählerischen Konvention aus der Mottenkiste folgt: Eins der Mädchen, natürlich das enfant terrible des Duos, die angebetete Isora, kommt ums Leben, als sie sich trotzig aus der Enge ihrer Umgebung losreißt und ohne Rücksicht auf die schüchterne Freundin ihre Chance ergreift, den Sehnsuchtsort "Meer" zu erreichen. Oh sorry das war ein Spoiler. Aber ich bin auch ein bisschen sauer, weil es bis dahin so gut war.
Nehme ich das hier tatsächlich mit an den Strand? Ina Elbrachts Beitrag zur "Grusel Thriller"-Reihe in Jörg Kleudgens BLITZ-Verlag schien mir erst gar nicht so recht in die Jahreszeit zu passen, aber weil Papageien drin vorkamen, konnte sich trotzdem ein sommerliches Lesefeeling einstellen. Das Taschenbuch (mit Blutschloss-samt-Fledermaus-Logo sowie Coverbild von Pulp-Legende Sieber-Lonati äußerst stimmig aufgemacht) hatte lange genug auf dem Stapel gelegen; außerdem mag ich Ina Elbrachts Bücher. Das Ding war also reif. In Der Todesengel lerne ich zunächst nicht die Hauptfigur Helene kennen, eine erfolglose Immobilienmaklerin am Rande der Verzweiflung, sondern lese, wie das Mädchen Gerda Grope von einer rätselhaften Unbekannten in den Weltkriegswirren des zerbomben Köln gerettet und schließlich an Kindes statt angenommen wird. Später wird sie mir als Helenes verschrobene und stinkreiche Auftraggeberin, der Nachnahme ergänzt um ein vornehmes "von", wiederbegegnen. Da stelle ich als Leser zwar erste Verbindungslinien her, doch was die Autorin tatsächlich im Schilde führt, merke ich erst, wenn es zu spät ist - für Helene. Denn einfach und gradlinig ist in dieser Geschichte mit ihren drei Zeitebenen erstmal nichts. Mit viel schriftstellerischer Ironie gemahnt zwar die schnodderige Art der Heldin an die Bahnhofsliteratur vergangener Tage - "Der Todesengel" ist hingegen ein Treppenturm aus Motiven, Hinweisen, Szenen und Handlungen, das leicht weg zu lesen ist, aber nachhaltig wirkt. Ein Papageienanwesen nebst seltsamer Dienerschaft, das Motiv des Überschminkens, die Verwirrung der Begriffe und eine alternative Deutung der Kölner Richmodis-Sage - es ist die große Kunst von Ina Elbacht, ihre Erzählung mit Leichtigkeit und Sprachwitz, aber auch mit drastischen Horrorszenen bis zur Auflösung in der Spannung zu halten. Mit dem Lüften des Geheimnisses aber ist es in einem echten "Grusel Thriller" noch nicht getan. Helene muss am Ende versuchen, einen dämonischen Kreislauf zu durchbrechen, da gehört sie sich schon nicht einmal mehr selbst. Zum Finale wird es also nochmal richtig spannend.
Ein bisschen weniger spannend, dafür ergreifend und witzig ist Caravan, im englischen Original "Two Caravans" von Erfolgsautorin Marina Lewyca. Hab ich als recht zerlesenes Exemplar auf dem Campingplatz aus dem Regal gefischt und bin nicht weniger als beglückt von diesem Fund. Die ukrainischstämmige Britin Lewyca ist mir natürlich mehr als einmal auf den Stapeltischen der Buchhandlungen begegnet, zum Kauf gereizt hat mich ihr Bestseller Eine Geschichte des Traktors auf Ukrainisch aber nicht. Zehn Jahre hat dessem Nachfolger Caravan mittlerweile auf dem Buckel. Die Geschichte um eine Gruppe von Erntehelfer/innen, ihrer Flucht durch England, ihrer Zersplitterung und ihr Finden unterschiedlicher Erkenntnisse, Glücksmomente und Zukunftsaussichten ist konsumierbar geschrieben, entwickelt jedoch mehr Tiefgang, als der Anfang auf der Erdbeerfarm vermuten lässt. Der nämlich verbreitet mit seinem dicken Bauern und der Hackordnung innerhalb der multikulturellen Zwangsgemeinschaft noch ein typisch britisches Wallace&Gromit - Feeling: Skurril, aber harmlos. Doch mit fortschreitender Handlung entfaltet die Autorin ein gesellschaftliches Panorama, das neben vielen Themen auch die Zerrissenheit der ukrainischen Bevölkerung zwischen prorussischen und prowestlichen beleuchtet -aktuell und erhellend. Arbeiterklasse, Klimakrise, Globalisierung und Ausbeutung - Lewyca bohrt sich mit großer Menschlichkeit in die Kernkonflikt unserer Zeit. (s.a. David Goodhart!) Eine extrem gewinnbringende Lektüre!
Aus unserer beliebten Kolumne Comics & Sachbuch:
David Goodhart - The Road to Somewhere, ein offenbar in Großbritannien recht umstrittenes Buch, das in eine ähnliche altlinke Kerbe schlägt wie hierzulande die Wagenknecht. Streitbar, aber argumentativ auch in (m)einem akademisch-woken (früher: salonlinken) Umfeld nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem eher quergelesen als sorgfältig studiert.
Herrn Hases Haarsträubende Abenteuer No.7 - Ganz im Ernst vonLewis Trondheim fand ich im Vergleich zu den anderen Bänden etwas nichtssagend, daran konnten auch die skurrilen Interviewpartner von Hases Freundin nix ändern. Das Herr-Hase-Reboot Die neuen Abenteuer des Herrn Hase No.1 - Eine bessere Welt - wir haben die 90er verlassen und es gibt mittlerweile Smartphones mit Dating-Apps - ist hingegen wirklich spitze! Ungewöhnlich stringent erzählt - Herr Hase will sich korrekt verhalten und löst einen verheerenden Polizeieinsatz aus. Mit bitteren Anklängen an das Bataclan-Massaker in Paris 2015.
Lange habe ich auf die dritte Ausgabe der TSVEYFL - Dissensorientierte Zeitschrift mit dem Schwerpunkt Anarchismus und Autonomie warten müssen. Hat sich unterm Strich so halb gelohnt, wenn ich M.F.J. Schnetkers "Die Freiheit, die sie meinen" und F. Schuhs "Digital selves, digital work & digital labor" als gelungenste von insgesamt sieben Aufsätzen zu Grunde lege.
Abschließend ein gescheitertes Vorhaben: Mit Jack Karouaghs Big Sur bin ich ganze 14 Seiten weitergekommen und hab mittlerweile wohl komplett den Rückholfaden verloren. Und auch andere Lesepläne für die nun verflossenen Ferien bleiben wohl noch länger aufm Eis. Zum Glück werden sie mir nicht weglaufen! Denn nun, der Jahreskreis wird sich ja wohl nicht ändern, kommt ja der Herbst und mit ihm weniger Ablenlung durch Freibad und Beachbar.