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Mittwoch, 2. November 2022

MX594 - Losse mer d’r Dom en Kölle?

Sowohl das zweiundzwanzigste Jahr Ihres Bestehens, als auch der achtzehnte Zyklus der Romanheftserie laufen mit Riesenschritten auf ihr Ende zu. Für eine Reihe, der nicht wenige Stimmen zu ihrem Beginn keine allzu lange Lebensdauer prophezeit hatten, ist das mehr als beachtlich. Der wilde Mix aus den verschiedensten phantastischen Genres sei viel zu unentschieden, war den Leserzuschriften zu entnehmen. Offenbar ist aber genau dieses Alleinstellungsmerkmal auch das Erfolgsrezept.

Eine Genrebestimmung fällt im aktuellen Roman von Michael Edelbrock besonders schwer. Vorab gesagt: Kurzweilig und unterhaltsam ist „Erschütterungen“ auf jeden Fall. Es ist zeitgleich die Geschichte eines Attentats, ein Dungeon- und ein Wüsten-Abenteuer. Mutationen kommen drin vor und ein Raumschiff. Eine eher für ihre Unberechenbarkeit bekannte Figur entwickelt überraschend Nestbautrieb und Muttergefühle, Kölner Lokalkolorit wird versprüht wie in einem Regio-Krimi und auch mit Comedy-Elementen geizt der Autor nicht. Als Leser stehe ich dieser Mischung machmal etwas ratlos gegenüber, denn nicht alles ist gleichermaßen gelungen.

Neo-Barbar Rulfan hat in seiner Parallelwelt die Daa'muren erneut besiegen können und kehrt nun in das andere Coellen zurück, um seinen Sohn wiederzusehen. Dort macht er Bekanntschaft mit Kormak, der plötzlich auf der Seite der Guten zu stehen scheint. Als ruchbar wird, dass die ganze Innenstadt der Metropole einem verheerenden Sprengstoffanschlag zum Opfer fallen könnte, kooperieren die beiden, um das Unglück zu verhindern. Parallel dazu nisten sich Haaley und Ewig-Antagonist Smythe in einer Aussteigergemeinschaft in Afra ein – ein zweiköpfiges Löwenbaby und Pläne zur Weltherrschaft im Gepäck.

Michael Edelbrock legt hier seine zweite Arbeit für die Serie vor. Wie aller Autor☄innen des Teams, schreibt er einen modernen, leicht zugänglichen Stil, der Einfältigkeiten meidet und Klischees durch Ironie konterkariert. Wunderbar anrührend ist zum Beispiel die Szene, in der der muskelbepackte Rulfan emotional überfordert ist, seinem Kind, das in dem Jahr seiner Abwesenheit zum Teenager geworden ist, zu begegnen. Gut, dass er die patente Reese an seiner Seite hat. Auch während der Expedition in die Unterwelt der Domstadt kann Edelbrock sein humoristisches Talent voll ausschöpfen – irgendwo zwischen Ekeltraining und Skurrilität zeigt er eine rabenschwarze Lust an Garstigkeit, die mir im Kosmos der Serie so noch nicht begegnet ist und ausserordentlich gefällt. Die Handlung um den Irrwisch Haaley und ihr geplagtes Professorchen jedoch wirkt – von den für meinen Geschmack zu albernen Disney-Bezügen abgesehen – deutlich zu konstruiert. Mit Haaley hatte Ian Rolf Hill zu Beginn des Zyklus eine extrem schillernde Figur in die Serie eingeführt, die nun erstmals von einem anderen Autor fortgeführt wird. Auch wenn Michael Edelbrock das ganz ordentlich macht, werde ich den Verdacht nicht los, dass Choyganmaa Aksinja Jevdokija Ewgenija Iwanowa mit dem tollen Roman „Sein oder Nichtsein“ im Grunde auserzählt war – ein heller Stern, der irgendwann auch mal verglüht. Doch ich lasse mich gern eines Besseren belehren, denn, soviel Spoiler sei erlaubt, am Ende der „Erschütterungen“ steht die Figur an einer Stelle, an der ich sie niemals vermutet hätte. Dass außerdem Coellen, dem im Maddraxiversum immer wieder eine zentrale Rolle zukam, am Ende dieser Episode in Trümmern liegt, das ist schon ein dickes Brett in der Gesamthandlung und macht dem Titel alle Ehre. Aber solange der Dom noch steht …


[In leicht verändertert Form wird dieser Blogbeitrag auch zeitnah auf phantastik-news.de erscheinen.]


Was ich mir nicht verkneifen mag: Den Hinweis auf einen tollenUrban-Fantasy-Roman, an den mich mich, nicht zuletzt des Kronleuchtersaales wegen, bisweilen bei der Lektüre von „Erschütterungen“ erinnert fühlte …

2 Kommentare:

  1. Danke für deine Rezi!
    Besonders der Coellen-Strang hat mich abgeholt. Ich fand die Kneipenszene einfach nur mega! :-)

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    1. Wen wundert's? ;-) Schließlich bist du ja dort verewigt ... Aber auch als Nicht-Verewigter hatte ich meinen Spaß an der Szene. Rulfan und Kormak trinken sich einen Schädel an ... der schräge Humor vom Michael Edelbrock ist echt ne Bereicherung der Serie!

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