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Düsseldorf ist nominell zwar die Hauptstadt NRWs. Außer ein paar Schnöseln vom Niederrhein aber und den Düsseldorfern selbst mag die Medienstadt um die Kö herum eigentlich keiner so recht, und wer Düsseldorfer Boden betritt, tut dies meist nur, um von dort aus woanders hinzufliegen. Wie anders hingegen die Nachbarmetropole, die auch im fernen Ostwestfalen-Lippe noch gemocht wird, wenn auch am wenigsten ihres Bieres wegen! Die Kulturszene Kölns ist vielfältig und bodenständig, eine sichtbare Queer-Culture bildet mit dem sehr liberalen Rheinischen Katholizismus und karnevalesker Gemütlichkeit ein einzigartiges atmosphärisches Gemisch, die Sehenswürdigkeiten sind tatsächlich sehenswert und Verdamp lang her mag auch jeder. Möglich, dass der hier ansässige WDR durch die mediale Dauerpräsenz, die er seiner Heimatstadt angedeihen läßt, landesweit für diese fast amerikaneske Kulturhegemonie sorgt – aber wir wissen trotzdem längst nicht alles über die die fast 2000 Jahre alte Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Die einst römische Kolonie war nämlich auch schon immer Hauptstadt der Ghule, jener Untoten mit dem extrem langsamen Metabolismus. Anders als bei H.P. Lovecraft oder Geisterjäger John Sinclair sind Ghule im echten Leben aber ruhige und unaufgeregte Langzeitgenossen – wären da nicht die Vampire, die in der Domstadt einst aus einem dekadenten Mithraskult hervorgeganen sind. Sie sind den Ghulen körperlich haushoch überlegen und nähren ihre Unsterblichkeit ausgerechnet von diesen so gar nicht unsympathischen Leichenfressern, die sie in dauernder Knechtschaft halten. Und ausrechnet die vom Abriss bedrohte Riphahn-Oper ist nicht nicht nur Symbol des siegreichen Widerstandes über die blutsaugenden Unterdrücker, sondern seit ihrem Bau zu Nachkriegszeiten auch ein ganz realer Grabstein, an den man besser nicht rühren sollte.
Weder
bin ich ein besonderer Fan von Lokal-Romanen noch von dem Genre Urban
Fantasy – außer Neil
Geimans Niemalsland mochte ich
noch so hundertprozentig nix, was ich unter diesem Etikett verkauft
bekommen habe. Und hätte auf Klunga und die Ghule von Köln
nicht der Name Adam Hülseweh
gestanden, wäre dieser hübsche 350-Seiten-Roman sicher an mir
vorbeigegangen. Adam Hülseweh ist ein Pseudonym, hinter dem sich Ina
Elbracht gemeinsam mit dem Historiker Alexander Schmalz vebirgt. Und
wie erwartet, hat Frau Elbracht in ihrem unverwechselbaren Stil einen
gleichermaßen witzigen wie verrückten, bizarren und gelegentlich
verstörend brutalen Roman über den Kampf der Ghule um ihre
Freiheit, den Kampf der Bürger/innen um ihre Oper und den
schnöseligen Tristan um seine gefühlsverwirrte Julia geschrieben.
Randvoll mit reichlich Historie vom Zenturio bis Adenauer, mit
Lebenswegen von Guhlen und Menschen durch die Jahrhunderte und
skurrilem Personal, laufen alle Fäden bei Klunga, jenem
freundlichen, etwas verschrobenen Ghul von nebenan zusammen. Und Fäden
gibt es viele; so viele, dass ich wie so oft bei Geschichten von Ina
Elbracht staunen muss, wie das am Ende doch noch zu einer runden
Sache wird: Songtexte, Kulturwissen, Anekdötchen, Alltagsleben,
handfester Horror und ironischer Witz ergeben hier einen anregenden
Roman voller Leben, Menschlichkeit und Phantasie, der mich lachend
und staunend zurückläßt. Illustriert hat das Buch Daniel Bechtold, dessen morbide und detailgenaue Tuschezeichnungen nicht zum ersten Mal aufs Vortrefflichste mit Ina Elbrachts Sparchlust harmonieren.
Bleibt nur noch die Frage: Hätte diese einzigartige Mischung auch in Düsseldorf funktioniert? Keine Ahnung. An der Ruhr-Uni ganz sicher. Auch dort lebt bestimmt eine Kolonie von Troglodyten unterm Beton – eine neue Lieblingsspezies in den unendlichem Weiten der Phantastischen Literatur.
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