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Donnerstag, 11. August 2022

MX 588 - Guck mal wer da ruft

Die Revolution ist wie Saturn, sie frißt ihre eigenen Kinder,“ lässt Georg Büchner seinen Namensvetter George Danton sagen, bevor die konkurrierende Clique um Robbespierre den einstige Helden der Revolution aufs Schafott schickt. Dieser Ausspruch hat es von der Bühne zum geflügelten Wort gebracht – und kommt abgewandelt auch in Michael Edelbrocks Maddrax-Debüt vor. Dort ist es die lovecraftartige „Dunkle Stadt“, die nun ihre Anhänger verschlingt, um ihr finsteres Herz nach einem derben Rückschlag wieder zu stärken. Wie die Lemminge folgen die Jünger des Kultes zu Hunderten dem Dunklen Ruf, so der Name dieser Episode.

Doch was ist das dunkle Herz? Woraus besteht es, und warum wirkt es so zerstörerisch? Ist es organisch, ist es geistig, ist es eine Maschine? Nun, da die Leserinnen dem aktuellen Zyklus schon anderhalb Jahre folgen, lässt Edelbrock durchblicken, dass alle bisherigen Spekulationen offenbar an der Wahrheit vorbeigingen. Damit wirft sein Einstieg ins Autorenteam der Leserschaft umgehend einen saftigen Brocken hin.

Auch sonst hält Der dunkle Ruf so einiges bereit: Zum Einen muss, nach ausführlichen Trips in andere Handlungsstränge, der Fokus auf den Ausgangskonflikt wieder scharf gestellt werden. Außerdem führt das Heft die Wege verschiedenster Figuren zusammen und zeigt, wie das Problem mit dem erstarkenden Bösen von verschiedenen Seiten gleichzeitig angegangen wird. Das ist wahrlich keine leichte Aufgabe, doch Michael Edelbrock löst sie ganz zufriedenstellend, wenn auch im mittleren Drittel die Gemengelage so unübersichtlich ist, dass die Spannungkurve eher bei Niedrigwasser vor sich hindümpelt. Zum Ausgleich spielt der Roman auf anderen Feldern seine Stärken voll aus, und Edelbrock lässt nicht den kleinsten Zweifel daran, dass er gut schreiben kann. Sein Umgang mit Sprache ist nicht nur angenehm frei von abgegriffenen Floskeln; im Dunklen Ruf finden sich auch richtig starke Passagen. Besonders der Anfang ist atmosphärisch und dicht. Zur Beschreibung der zum Leben erwachenden Architektur findet der Autor eindringliche Sprachbilder. Auch das Ende, bei der eine bisherige Nebenfigur eine unerwartete Haputrolle spielt, der Daa'mure Soro, entwickelt beinahe epische Wucht. Dass Edelbrock sich ausserdem immer wieder die Zeit läßt, die emotionalen Beweggründe seiner Figuren auszuleuchten, sie in aller Ruhe denken und reflektieren zu lassen, ist toll.

Über viele Jahre waren der Titelheld der Serie und seine Gefährtin Aruula durch einen Tachyonenmantel vor dem physischen Älterwerden geschützt. Nun ist vermehrt Thema, so auch in diesem Roman, dass Barthaar und Fingernägel wieder sprießen, weil der Schutz offenbar nicht mehr funktioniert. Dazu ein bescheidenes persönliches Statement: Am liebsten ist es mir ja, wenn in Reihen wie Maddrax und Co. das Altern gar keine wesentliche Rolle spielt. Ob John Sinclair, Asterix oder die Drei Fragezeichen – ein dezentes Ignorieren des Themas „Ich werde langsam zu alt für so einen Scheiß“ ist mir hundertmal lieber als an den Haaren herbeigezogene Technologien, die in so blöden Ideen wie dem Zellaktivator (im Perryversum nebenan) kulminieren. Das mögen andere anders sehen, und vielleicht wird die Suche nach relativer Unsterblichkeit ja ein absehbarer Zeit noch ein Thema in der Welt von Maddrax. Ich wollte nur mal kurz hüsteln und sagen: Mir zuliebe müsstet ihr in solche Plots nix investieren. (Just saying.) Aber ich bin nicht allein auf der Welt, daher einfach: Weiterhin frohes Schaffen!

Die drei vorangegeangenen Ausgaben in einem schnellen Abwasch: Hier.

[Dieser Artikel wird in leicht veränderter Form auch zeitnah auf phantastik-news.de erscheinen.]

1 Kommentar:

  1. Danke für die ausführliche Rezi!
    Ich finde das Erstlingswerk von Michael absolut spitze. Als Fan der ersten Stunde habe ich beim Lesen richtig gemerkt, dass er sich mit der Serie tiefer beschäftigt haben muss. Die Querverweise, die Bezüge auf andere Romane und das systematische Zusammenführen der einzelnen Handlungsstränge ist ihm richtig gut gelungen!
    Das mit den Tachyonen ist nicht ganz so weit an den Haaren herbei gezogen wie man vielleicht anfangs meint. Siehe dazu auch hier: https://de.maddraxikon.com/index.php?title=Tachyon und natürlich hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Tachyon

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