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Montag, 18. April 2022

Roboter - Fading Smoke von R.M. Amerein

Wer Vater wird, gewöhnt sich das Rauchen ab. Versucht es zumindest. Wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiß, kann dieses Unterfangen auch mehrere Anläufe benötigen, und wenn es dann endlich vollbracht ist, ist der Nachwuchs fast schon selbst in dem Alter, wo die ersten Kippen aufm Schulklo verführerisch werden können. Ein ewiger Kreis. Also, wäre ich Roboter, ich hätte seinerzeit erst gar nicht angefangen. Anders als SM0K3, aka – Smoke. Wie der Name ja schon sagt.

Smoke, der perzende Robo-Söldner, ist der Protagonist in Roboter-Fading Smoke, dem Auftaktroman zu einer geplanten Trilogie von R.M. Amerein, die gerne auch eine zehnteilige Serie daraus machen dürfte. Ergiebig genug ist das Setting allemal: In ferner Zukunft und/oder auf dem Planeten Keld leben Menschen und Roboter per Vertrag in friedlicher Kooexistenz. Ein Ereignis namens Sundown hat die Energie der Sonneneinstrahlung empfindlich reduziert, und nur dank der anpassungfähigen Flora sind die Ökosysteme nicht vollständig kollabiert. Doch die Zeit der Hochkulturen ist vorbei. Während es die Menschen zurück in kleine Clans und Siedlungen getrieben hat, haben die längst autark lebenden Roboter ein ganz anderes Problem: Aus unklarem Grund können sie ihren Energiebedarf nur noch mit Biomasse, nicht mit Strom, decken. Die wächst abseits der Wüsten in sogenannten Biotopen, die zu betreten nicht ungefährlich ist. So hat sich unter den Kunstmenschen ein komplexes Kastenwesen entwickelt: Es gibt Heiler, Forscher, Geschichtsbewahrer, gar symbiontische Mensch-Maschine-Verhältnisse, die auch auf emotionaler Ebene reichlich bizarre Gebilde sind. Und eben Söldner, die die Drecksarbeit machen und dafür, streng rationiert, auch mal am Biotop knabbern dürfen. Ein solcher ist SM0K3. Sein Job: Er soll ein flüchtiges Menschenkind einfangen, dass, erste Merkwürdigkeit, Eigentum der Forscherkaste ist. Darauf erstmal einen Gimmstängel, und besser keine Fragen stellen.

Mit dieser Noir-Prämisse beginnt dann ein eigenwilliger, äußerst phantasievoller, recht kurzer Roman. Denn dass es mit diesem Mädchen, Kaia, etwas Besonderes auf sich hat, dürfte von Vornherein klar sein. Und so, als SM0K3 dann doch beginnt, eigene Nachforschungen anzustellen, fühlen sich so einige Robos auf den Metallschlips getreten. Diese verfolgen sinistre Pläne, die das fragile Gleichgewicht des Planeten ins Wanken bringen.

R.M.Amerein, eine im Selfpublishing recht umtriebige Autorin, hat sich für ihre erste Verlagsveröffentlichung (Atlantis) eine Cyberpunk-Standard-Handlung gegriffen. Was sie daraus macht, ist ein verblüffender Trip durch eine stimmige SF-Welt voller origineller Ideen. Und übrigens auch nicht wirklich Cyberpunk, denn Großstädte und High-Tech gibt es nicht. Die Roboterzivilisation pfeift ziemlich aus dem letzten Loch, eine neuartige, besser angepasste Robo-Mensch-Pflanze-Hybridenrasse taucht auf, unerklär- und unlöschbare Vatergefühle bringen die Programmierung durcheinander und ein Samurai-Roboter, wie einem Live-Rollenspiel entsprungen, erweist sich als zuverlässiger Gefährte.

Auf der Habenseite ist Fading Smoke also ein absolut gelungenes Lesevergnügen, dessen Fortsetzung meinethalben gern schon in den nächsten Tagen erscheinen dürfte. Amreins Stil ist lässig und umgangssprachlich. Schon auf den ersten Seiten erklärt sie, Serviceleistung für die Leser/innen, ihren Weltentwurf und macht es mir daher leicht, das Ding mal eben schnell wegzukonsumieren. Leider, und das ist meine milde Kritik, etwas zu leicht. Denn die Geschichte und ihr Konflikt, ihre Anlage und ihr Personal werden in dieser heftromanig anmutenden Darreichungsform doch ein wenig unter Wert verkauft. Das ist schade, weil ich beim Lesen das Gefühl hatte, die Autorin hat ganz sicher die sprachlichen Fähigkeiten zu einem etwas präziserem, literarischerem Stil, den ich für ihren Ich-Erzähler interessanter gefunden hätte. Auch reißt ihr Entwurf einer Zukunft, in der angesichts knapper Ressourcen und einer gescheiterten High-Tech-Gesellschaft ein sozialer Frieden zwischen Mensch und K.I. verhandelt wurde, wichtige Fragen unserer Zeit an – R.M. Amerein ein dürfte mich als Leser gern entschiedener mit solchen Hypothesen herausfordern, auch formal. Doch all das wird mich nicht davon abhalten, dieses hochsympathische Erzählprojekt im Auge zu behalten und vielleicht auch mal in ihre Archen-Reihe reinzuschnuppern. An originellen Ideen gebricht es dieser vielversprechenden Autorin ganz sicher nicht!

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