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Montag, 28. November 2022

MX596 - Pogo in Togo

„Nachdenklich betrachtete Miki Takeo das Bauteil des Gleiters, das ihm seine Ingenieure in die Werkstatt überstellt hatten. Der Verschleiß an Gleitern hatte in den vergangenen Jahren enorm zugenommen, was vor allem Matt Drax und Aruula zu verdanken war.“ Da ist was dran. Ganz unschuldig ist aber auch das Team der Autorinnen und Autoren meiner kleinen feinen Lieblingsserie nicht; erst deren Plotting hat schließlich dafür gesorgt, dass aus der barbusig-barbarischen Schwertschwingerin und ihrem in der dunklen Zukunft der Erde gestrandeten Gefährten sowas wie ein postapokalyptischer Jet-Set wurde. Ein unter Lesern nicht selten diskutiertes Thema übrigens, daher kann man vorangestelltes Zitat sicher auch als kleinen Seitenhieb verstehen. Maddrax und seine Fans … was sich liebt, das neckt sich offenbar. Oder ginge das zu weit?

Der grüblerische Takeo ist jedenfalls nicht die einzige Stelle im Roman, die mich zum Lachen gebracht hat. Lucy Guths Auf der Jagd nach dem Roten Diamanten ist ein vielseitiger und reichhaltiger Fanservice geworden: Witzig, anspielungsreich, spannend. Und ja, handlungsmäßig auch ein wenig überfrachtet, weshalb nicht jedes szenische Potential gleichermaßen zu seinem Recht kommen kann. Mal eben nach Skothland zum Hort des Wissens? Check. Skurrile Retrologengemeinschaft an der Ostküste? Check. Diese Handlungselemente, um nur zwei Beispiele zu nennen, hätten schon gut und gerne zwei Einzelabenteuer ergeben. Auch der Kern der Geschichte, die titelgebende Jagd nach dem Roten Diamanten, Schauplatz ist eine Tempelruine im heutigen Togo, hätte bei all ihrer Fülle auch als 200-Seiten-Schmöker eine gute Figur gemacht. Dafür bleibt mir beim Lesen eine Menge Raum für eigene Phantasie und Spekulation, was ja auch nicht das Schlechteste ist.

Was mag wohl das Schicksal jenes skelettierten Bruchpiloten mit der Grateful-Dead-Jacke gewesen sein? Welchen Ursprung hat der Diamant, der sich als eine mächtige Energiespeichereinheit mit ungewöhnlicher Signatur erweist? Wie konnte sich die Rothaarigkeit der Priesterinnen über so viele Generationen halten, wo sie doch rezessiv vererbt wird? Warum isoliert Wasser die Absobationsfähigkeit des rätselhaften Steins, „Muttermilch“ aber nicht? Und wo kriegen sie mitten in Afra bloß so viel Effel für ihren Schoope her?

Doch der Reihe nach. Um sich auf die Spur des entflohenen Smythe zu setzen, kann Kormak Reese und Rulfan nur eine ausgediente Schrottmöhre von Gleiter zur Verfügung stellen. Die schmiert dann auch glatt im tiefsten Dschungel ab, wo die zwei Hübschen (an dieser Stelle sei das herrliche Cover von Nestor Taylor gewürdigt!) von den Einwohnern des Dorfes Katta-Kenna des Diebstahls ihres Herzens beschuldigt werden – eben jenes Diamanten, der sowohl die Energieversorgung der Gemeinschaft sicherstellt als auch ihr spirituelles Zentrum ist. Der Dieb ist allerdings in Wahrheit (Trommelwirbel) der flüchtige Professor höchstselbst, der sich damit längst nach Meeraka abgesetzt hat. Doch Reese wird nach einer einem zünftigen Abenteuerroman angemessenen Prüfung mit Dungeon, Krokodilen und Stammesfeinden in den Ordensstand erhoben, da sie nicht nur ebenfalls rothaarig, sondern auch des Deutschen mächtig ist. Und das Deutsche, wenn auch mit deutlich hessischen Einschlag, ist zufällig die Sprache der Priesterinnenkaste. All das liest sich schon ziemlich witzig, und allein das Vorhandensein einer deutschen Mundart in einem Abenteuersetting erinnert mich wohlig an Karl May und das Sächsisch des jüngst verstorbenen Ralf Wolters als Trapper Sam Hawkens und dessen ständig verrutschendes Toupet. Hab ich mich als Kind derbe drüber beömmelt. Die Erinnerungen an das filmische Vorbild dieses Romans sind hingegen eher vage und verschwommen, weshalb ich nicht allzu viele Andeutungen, mit denen das Heft sicher pickepackevoll ist, verstanden habe. Immerhin, die Stiefel aus Krokodilleder kommen drin vor – für weitere Erkenntnisse müsste ich den Streifen wohl nochmal schauen. Oder die Schwarmintelligenz zu einer Sammlung im Maddraxikon, Blogdrax-Forum oder den diversen Kommentarspalten anregen, was ich hiermit tue.

Die Handlung geht nach dem Tempelabenteuer noch weiter, doch spoilerfrei zu bleiben wird ab jetzt etwas schwierig. Zumindest muss ich  erwähnen, dass mein mathematisch-naturwissenschaftliches Verständnis brutal versagt hat, als es darum ging, die innere Logik des finalen Gleiterkampfes an der Küste von Sub'Sisco nachzuvollziehen. Laserbeschuss und Energieabsorbition rufen eine Pattsituation hervor. Ob diese sowie ihre explosive Auflösung tatsächlich plausibel sind, kann ich trotz Kopfzerbrechen nicht beurteilen, habe aber das Gefühl, dass man Lucy Guths Serienbeitrag mit Logik ohnehin nicht so recht beikommen kann. Was ja für so manchen Adventure-Streifen ebenfalls gilt.

Lucy Guths Erzählstimme ist wie immer geradeaus und unprätentiös, dabei leicht und von einer feinen, menschenfreundlichen Ironie durchzogen. Ich mag diesen Sound sehr und hoffe, dass sie noch lange an Bord der Serie bleibt – 2022 hat sie sich etwas rar gemacht, finde ich.

 


 

1 Kommentar:

  1. Wie ich gesehen habe, hat Redakteur Mad Mike auf auf Facebook angemerkt, es sei seiner Meinung nach durchaus ersichtlich, dass der Smythes Gleiter durch Überladung des Roten Diamanten zur Explosion kommt. Dem muss ich zustimmen, das ist der Fall, war aber nicht mein Thema. Ich habe die betreffende Passage ein weiteres Mal gelesen und muss zugeben, dass ich überlesen hatte, dass die gekaperte DARK FORCE ONE von mehreren Gegenern gleichzeitig attackiert wird, was die Pattsituation natürlich auflöst. Eben dieser Patt aber kommt mir weiterhin komisch vor. Müsste nicht der Beschuss von Smythe auf Reese & Rulfan deren wesentlich kleinenren Edelsteinsplitter an die Überlastungsgrenze treiben, während ihn wiederum jeder Laserangriff bloss stärkt? Aber - wie gesagt, mit meinem logisch-physikalischen Verständnis ist es nicht allzu weit her.

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