Dieses Blog durchsuchen

Montag, 28. Dezember 2020

Ina Elbrachts PENTIMENTI ist ein weirder Ritt durch Kunst und Country.

Tuschezeichnung D. Bechthold

Ina Elbracht, Jahrgang 81, lebt in Köln und hat bisher ein paar Geschichten in Anthologien sowie zwei Bücher veröffentlicht. Eines davon ist Pentimenti, das in limitierter Stückzahl bei Wurdack erschienen ist und angesichts der Qualität von Story und Stil längst ausverkauft sein sollte, wäre diese Welt eine gerechte. Ins Auge gefallen ist mir der gut 170 Seiten umfassende Kurzroman durch die ungewöhnliche Titelillustration von Daniel Bechthold, das eine Art Ratte mit Facettenohren und teils spinnengleichen Extremitäten zeigt, die einer darmschlingenartigen Spiralwulst entsteigt. Ohnehin sind Bechtolds Tuschezeichnungen, mit denen Pentimenti reich bestückt ist, eine Augenweide. Wenn auch eine finstere. Kleinteilig, atmosphärisch, oft hynothisch und immer sehr eigenwillig, anziehend und gleichzeitig befremdend bebildert Bechtold Elbrachts Erzählung um den Kunstmaler Adam, dessen Werk wider Willen zur MOMA-tauglichen Avantgarde wird. 

Pentimenti bezeichnen in der Kunst nachträgliche Korrekturen des Malers an seinem Werk. Ina Elbracht fügt ihre Story aus drei Teilen zusammen, die den Wesenkern ihrer Erzählung erst am Ende freilegen, wenn sich wie bei einem rätselhaften Puzzle zusammenfügt, was lange unlösbar schien. Bereits für sich genommen hat jede dieser Handlungsscherben ihren eigenständigen Reiz. Da ist der knorrige Kunstmaler und seine liebenswerte Muse Eva, deren Tun erst durchschaubar wird, als es zu spät ist. Da ist der Möchtegernhippie, der auf seinem Roadtrip in eine für Touristen nachgebaute Westernstadt gerät, mit der entschieden etwas nicht stimmt. Und die Kunststudentin Holly, die lange Zeit später jenes Grauen gebiert, das von Anfang an in der Geschichte geschlummert hat. Über all diesem liegt die Verbindung zu einem Haus im Wald irgendwo im Hessischen, und das Hessische selbst, das Provinzielle, das zu gleichen Teilen liebenswert und rückständig durch alle Kapillare des Buches mäandert, sogar bis nach Manhattan, in das Herz der Welt.

Hessen ist nicht Innsmouth, und Ina Elbracht ist nicht H.P. Lovecraft, denn ihr Schreiben ist leicht und witzig, ihre Figuren sind Menschen aus Fleisch und Blut. Doch ihre wundersames Gruselmärchen spielt ein gelungenes Spiel auf der gleichen Klaviatur: Daß da irgendwo in Innern der Zeit noch etwas Unvorstellbares geduldig schläft, das nur noch auf einen Geburtshelfer wartet. 

Das Buch bei Wurdack

Der Künstler Daniel Bechthold


3 Kommentare:

  1. Vielen Dank! Ich freue mich wirklich seeehr über diese Besprechung. Und würde Dich am liebsten als Klappentextschreiber anheuern. So schön!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für die Blumen. Aber ich fand das Buch halt einfach klasse... Bleibt mir nix übrig als gut darüber zu schreiben. ;-)

      Löschen
  2. Na, vielleicht braucht Ina doch noch mal einen Klappentetschreiber ...
    :)

    AntwortenLöschen