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Sonntag, 27. Dezember 2020

MX546 - Arm aber sexy

Ein Synapsenverstärker auf dem provisorisch wiedererrichteten Eiffelturm – im Maddrax-Universum reicht das als Christbaumspitze, um der geneigten Leserschaft anzuzeigen: Magische Allianzen von Lucy Guth ist die Weihnachtsfolge 2020. Mehr Lametta ist in Zeiten der Postapokalypse nicht drin, sorry. Magisch wird es aber dennoch, und da mehrere telepathisch begabte Frauen sich zusammenschließen, ist sogar überraschend viel Wumms! dahinter – deutlich mehr jedenfalls, als ich bisher von „meiner“ Pulp-Fiction gewohnt bin. Die zeigt sich, was Paranormales angeht, ja in der Regel eher knauserig.

Und das ist gut so, um mal gleich eingangs Berlins Ex-Wowi zu zitieren. Parii und den Eiffelturm nämlich läßt die Romanhandlung rasch hinter sich und schwenkt ostwärts Richtung Märkischer Sand. Da liegt die Bundeshauptstadt, und seit dem Weltenwechsel vor rund 40 Heften ist Beelin auch wieder eine solche und heißt preußisch-korrekt Berlin. Allerdings wurde die Stadt aus einer Welt ins Maddraxiversum verpflanzt, in der eine Reformation nie stattgefunden hat und Deutschland ein Gottesstaat unter der Fuchtel des Vatikan ist. Inquisitor Joseph Kramer will seine göttliche Ordnung incl. Hexenverfolgung in der neuen Umgebung zu geltendem Recht machen und sich bei der Gelegenheit auch gleich an die Spitze der Macht bringen. Kein Wunder also, daß er alles daran setzt, die anstehende endgültige Umsiedlung der Bewohner Berlins bzw. Beelinns zu sabotieren. Allerdings hat er seine Rechnung ohne Aruula und all die weisen Frauen gemacht, die nun endlich eine Chance haben, sich erfolgreich gegen ihre sadistische Unterdrücker zu wehren. Frenen, Hexen, Wicca... Allzu fromm wird das Christfest in der dunklen Zukunft der Erde dankenswerterweise nicht. Gemeinsam erzeugen die Ladies eine Druckwelle, die die Vertreter des religiösen Patriarchats ordentlich wegbläst.

Die (hauptsächliche) Vorgeschichte der aktuellen Epidode ist der Band Hexenjagd 2.0 aus dem Juni letzten Jahres. Vermutlich hätte ich mich etwas leichter getan, in die Story einzutauchen, wenn ich den Roman gelesen hätte, denn die Grundidee einer hochmodernen katholischen Theokratie ist hochspannend, wurde aber in Magische Allianzen nicht nochmal eigens für Spätzünder wie mich auserzählt. Ich habe mich an zahlreichen Kleinigkeiten erfreuen können: Zitate und Anspielungen auf die Geschichte des politischen Berlins von „Ich bin ein Berliner“ über den „antibarbarischen Schutzwall“ bis hin zu „Wir schaffen das“ zum Beispiel. Oder Worrex' Zugfahrt mit Berliner Lokführern, vor deren Idiom die universale Sprachenkenntnis des Archivars kapitulieren muß. Oder den Guul, der sich gegen die stereotypisierte Sicht auf seine Person zur Wehr setzt.

Etwas unterbelichtet für meinen Geschmack ist hingegen das Titelthema. Die blondgelockte Magierin und ihre Eule auf dem Heftcover kommen leider nur in einer Nebenepisode zum Zuge. Die Allianz zwischen den unterschiedlichen Vertreterinnen der Hexerei findet zwar statt, hätte aber gerne viel mehr Raum haben dürfen, zumal auch Aruula in diesen Abschnitten eine Relevanz zukommt, die ich spätestens seit Ende der GRÜN-Trilogie etwas vermisse. So ist Episode zwar 546 eine unterhaltsame, locker und originelll erzählte Geschichte, auch Action und Spannung kommen nicht zu kurz, stilistisch ist Lucy Guth wie immer top – ein paar zusätzliche Zauber-Rosinen hätten trotzdem gern im Stollen sein dürfen.

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