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Montag, 30. Mai 2022

MX582&MX583 – Aus Gründen

Folgende schmierige kleine Phantasie drängte sich seinerzeit in mein Hirn, als Präsident Obama Monate nach seiner hoffnungsvollen Wahl so einiges an „Hope“ und „Change“ schuldig blieb: Sein Klimaversprechen blieb uneingelöst, Guantanamo wurde nicht geschlossen und aufgeabeitet. Kann es sein, dachte ich mir, dass schon am Tag seines Einzugs ins Oval Office zwei Herren in dunklen Anzügen auf den Neugewählten warteten, die ihm mit einer kleinen Powerpointpräsentation verklickerten, was alles schonmal nicht geht? Später, mit QAnon und dem Sturm aufs Kapitol, hat mein kindliches Vergnügen an solchen Verschwörungsgeschichten ein paar Dellen bekommen – zu viel üblen Impact auf das echte Leben echter Menschen haben diese Ideologien. Deshalb lieber ein paar Disclaimer und Ausrufezeichen zu viel als zu wenig: Alles bloß Mindfuck! .... Interessant finde ich aber, dass ich zu Beginn von Lucy Guths Das Geheimnis im Eis auf eine beinahe identische Phanatsie stoße. Nur dass Präsident Lepmur weniger an Obama als an dessen Nachfolger erinnert. Und ausserdem kein Mensch ist.

Lucy Guths Roman sowie Die Schuld der Pancinowa von Christians Schwarz werden von Bastei zwar nicht als Zweiteiler vermarktet, funktionieren aber als solcher ganz hervorrragend, wie ich aus eigener Anschauung vermelden kann – ein wenig aus dem 14-tägigen Takt gestolpert, habe ich beide Episoden am Stück gelesen. Die Handlungen knüpfen nahtlos aneinander an, und Schwarz' technikaffine Sci-Fi ergänzt sich prima mit Guths Abenteuerfantasy zu einem spannenden Trip in die Vergangenheit des Planeten Cancriss.

Die hat, wie wir in besagter Eröffnungsszene erfahren, eine stattliche Leiche im Keller. Beziehungsweise im ewigen Eis, denn dorthin hat es in grauer Vorzeit, von mehr als tausend Jahren ist die Rede, einen Wandler verschlagen, der die damals schon hochtechnisierte Zivilisation des Planeten um Hilfe auf seiner Flucht vor der Schrecklichen Wolke, seinem Fressfeind Streiter, ersucht. Eine galaktische Charta verpflichtet die Pancinowa, diese Hilfe zu gewähren. Doch als sich herausstellt, dass die kometenartige Entität den problematischen Energiehunger der Pancinowa-Zivilisation nicht nur stillen kann, sondern sogar neue Meilensteine in der Erforschung der Wurmlochtechnologie und dem Ausbau virtueller Welten ermöglichen wird, treibt der Rat der Fünfundzwanzig ein doppeltes Spiel, das sich über die Jahrhunderte zu einer – anders kann man es nicht nennen – Weltverschwörung auswächst, deren Aufrechterhaltung enorme Skrupellosigkeit von den Regierenden verlangt. Dem kommen Tom Ericson, Vasraa und, in deren Windschatten, auch Matt und Aruula auf die Spur, die sich eigentlich nach Cancriss begeben haben, um die Pancinowa um technischen Beistand gegen einen bevorstehenden Streiter-Angriff zu ersuchen. Diese forcieren seit den Ereignissen um den Wandler aber eher eine Politik der Abschottung. Doch die Widerstandsgruppe der Douhlees, gesellschaftlich als Verschwörungsideologen stigmatisiert, sehen nun ihre Stunde gekommen, und ein alter Stein kommt ins Rollen.

All das ist große Politik, und, aus eingangs genannten Gründen, erzählerisch in unserer Gegenwart ein recht doppelbödiges Unterfangen, behalten doch in diesem Fall die „Schwurbler“ recht. Die zwei Romane bringen aber ordentlich Antrieb in die Gesamthandlung. Sowohl das Geheimnis als auch die Schuld sind ohne Abzüge auf den Punkt erzählt: Knackig, spannend, schlüssig. Darüber hinaus ist der Weltenbau in beiden Heften derart üppig, dass ich mich nach Abschluss der Lektüre frage, wie das alles auf 122 Seiten gepasst hat – abzüglich zwei prall gefüllte LKS und die üblichen Werbeanzeigen. Die Pancinowa, ihre Geschichte, ihre Geographie, ihre gesellschaftlichen Verwerfungen, ihre Fortpflanzung, ihr Alltagsleben, ihre Aussteiger, ihre Probleme … das alles servieren Schwarz und Guth so plastisch und grandios, dass ich recht geflasht die Hefte beiseite lege und zunächst nicht viel mehr denken als: „Wow. Deshalb lese ich Maddrax.“

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