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Freitag, 20. August 2021

MX563 - Fragen kost' ja nix!

„Sage mir, Orakel – bin ich überhaupt würdig, meine Meinung über Maddrax im Internet zu verbreiten?“

Mit äußerster Vorsicht umfasste der Rezensent den Schädel und hob ihn behutsam aus der Nische in der Tempelmauer. Seine Hände waren vor Aufregung ein wenig feucht. Kaum etwas wäre ihm peinlicher gewesen, als den Kopf des Androiden aus seinen Fingern gleiten und auf den Boden fallen zu lassen. Es war schließlich das Haupt von Commander Matthew Drax, dem Helden seiner hochgeschätzten Romanheftserie.

Und wenn es sich auch lediglich um den Kopf eines Robo-Replikanten des Titelhelden handelte, der noch dazu aus einer parallelen Realität in dieses postapokalyptische Afra gekullert war, strahlte er doch eine besondere Aura aus. Bange Sekunden verstrichen, in denen dem Rezensenten vor Nervosität das Herz bis zum Hals schlug. Was, wenn die Antwort ausblieb? Das bedeutete ein Nein – so hatte es Omahuviso, Schamane des Clans der Tropfen festgelegt, in dessen Obhut der Zauberkopf sich nun befand. Der wollte das vereinzelte Blinken der Leuchtioden in Matthews Augenhöhlen als Botschaften des dunklen Gottes interpretiert wissen, nicht ahnend, dass es sich dabei nur um zufällige Kurzschlüsse in der Elektronik handelte. Das Orakel, der 563. Band der Serie, geschrieben von Lucy Guth, bezog aus eben dieser Fehldeutung einen Gutteil seiner Komik und seiner Tragik. Zumindest was einen der beiden Handlungsstränge anbelangte.

Endlich erlöste ein kurzes Blinken den Rezensenten von seinen Selbstzweifeln. Einmal Blinken, das galt als eindeutiges Ja. Er blickte sich um, ob er weiterhin unbeobachtet war, und stellte leise einige Fragen, die er für diese heimliche Audienz vorbereitet hatte.

„Mächtiges Orakel, sage mir: Du antwortest mit Ja, als du gefragt wirst, ob dem Clan ein Ende der Hungerzeit bevorsteht. Die Prophezeihung erfüllt sich umgehend. Von der Schamanin der verfeindeten Feueraugen auf eine hinterlistige Probe gestellt, trifft deine Vorhersage ebenfalls zu. Übersinnliches Wirken ist ausgeschlossen – findest du das nicht ein bisschen viel glücklichen Zufall, der hier seitens der Autorin bemüht wird?“

Nach einigen Sekunden Stille funkelte das Leuchtauge des Orakels in kurzen, zornigen Abständen. Der Rezensent machte einen Rückzieher. „Entschuldige bitte mein kleinliches Rumnerden, mächtiges Orakel. Lucy Guth hat einen wirklich tollen Serienbeitrag verfasst. Sie erzählt – wie immer eigentlich – schnörkellos und frei von sprachlichen Klischees, entwickelt die ohnehin originelle Grundidee stringent fort und setzt mit dem zweiten Handlungsstrang ein Gegengewicht aus Action und Unterseeabenteuer, wo die Geschichte mit dir, also dem Robo-Kopp, eher von ihrer Skurrilität und den Emotionen lebt.“

Ein Rascheln im Gebüsch hinter ihm ließ den Rezensenten erschrocken innerhalten. Er sah sich um. Würde etwa plötzlich Tayo hinter ihm erscheinen? Es wäre ihm kaum möglich, sein Hiersein im Dorf des Clans zu erklären, geschweige denn dem Tempelwächter begreiflich zu machen, dass er keine üblen Absichten im Schilde führte.

Doch er konnte aufatmen. Bloss ein Erdhörnchen musterte ihn ein wenig irritiert, ehe es seine Nahrungssuche fortsetzte. Hast ja recht, du Nager, ich gehöre nicht hierher, dachte er und setzte die Befragung fort. „Meinst du, der Roman eignet sich gut für den Einstieg in die Serie?“

Ein dreifaches Blinken war die Antwort. Nein.

„Und findest du nicht auch, Tayo hätte ein besseres Schicksal verdient, als was die Autorin ihm zugedacht hat? Ich mag ihn wirklich!“

Eine Antwort blieb aus.

„Ich finde es toll, das Ei'don wieder eine Rolle spielt. Dass er zuletzt auftauchte, war ja schon im vorherigen Zyklus. Orakel, lass uns gemeinsam spekulieren. Wird Quart'ols Plan, ihn für die Befriedung des Konflikes...?“

Der Rezensent stockte mitten im Satz, denn was nun geschah, hätte er auch nach dem Ende des Heftes nicht erwartet, das die Handlungsfäden raffiniert verwob und klarmachte, dass das Autor/innenteam für die Gesamthandlung des Weltenriss-Zyklus' nun den nächsthöheren Gang einzuschalten gedachte: Die stählernen Kiefer des Schädels öffneten sich quietschend. Sie waren seit einem halben Jahr nicht geölt worden. Und aus der Mundhöhle schob sich nun ein dicker, rosa Gummilappen. Matt streckte ihm glatt die Zunge raus!

„Hab schon verstanden,“ sagte der Rezensent, stellte grinsend das Orakel zurück an seinen Platz und wandte sich zum Gehen. „Eine Sache noch – die Serie macht richtig Bock im Moment. Wollte ich nur mal loswerden.“ Und machte sich aus dem Staub der Savanne, zurück an seinen Schreibtisch.

2 Kommentare:

  1. Endlich ist mein Lieblingsrezensent auch bei Maddrax wieder am Start! Sehr gelungene und unterhaltsame Rezi! :-)

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    1. Danke danke! Ab nächster Ausgabe bringe ich die Rezis auch wieder bei Phantastik-News unter, wo sie laut Guido, dem Betreiber der Site, eine ansehnliche Reichweite erzielen! Liebe Grüße!

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