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Dienstag, 3. Mai 2022

MX581 - Kooperationsdefizit

Im aktuellen Heft serviert das Maddrax-Team eine Begegnung, die längst unausweichlich war: Alt-Antagonist Professor Jacob Smythe, dessen Quälgeist mittlerweile in einem Androidenkörper steckt, trifft jenen anderen Smythe, den es aus einer Parallelwelt in das Serien-Jetzt verschlagen hat. Dass es „nur einen“ geben kann, ist dabei von vornherein gesetzt – so muss Episodenautor Ian Rolf Hill sich auch gar nicht erst mit allzuviel Psychologie aufhalten, sondern kann in aller Ausführlichkeit das pralle Feuerwerk an Action und Gags abfeuern, das die Leserinnen und Leser von diesem Duell auf Leben und Tod erwartet haben. Da ihm dies, alles andere wäre überraschend gewesen, auch formidabel gelingt, ist es vielleicht interessant, den ein oder anderen Nebenschauplatz von Smythe vs Smythe zu beleuchten. Denn an der Seite der beiden fiesen Akademiker stehen seit geraumer Zeit zwei Frauengestalten: Der wandlungsfähige Sexbot Lybreyz ist die Begleiterin des Andro-Symthes, der just frisch auf die Erde gekommen und hier auf der Suche nach "schweren Waffen" ist. Asimovs Robotergesetze sind ihr anscheinend nicht einprogrammiert worden, weshalb ihr das sexuelle Beglücken von Menschen kein Stück schwerer von der Hand geht als deren Terminierung.

Lybreyz gegenüber steht Haaley, die zwar unberechenbar, aber weit wahnsinniger wirkt als sie am Ende tatsächlich ist – sie nennt eine stattliche Sammlung von Psychomeisen ihr eigen, weiß aber stets sehr genau, was sie da tut und warum. Doch neben ihrer manchmal etwas ironischen Loyalität zu „Smitty“ hat sie auch eine eigene Geschichte, die IRH über viele Folgen aufgebaut hat und mit diesem Roman um ein paar wichtige Mosaiksteine ergänzt. Haaleys (vermeintliche?) Jugend in Sankt Petersburg beispielsweise, in der traumatisierende Dinge stattgefunden haben müssen. Auch ihr Talent, sich zwecks Selbstrettung rasend schnell in Sprache und Mythologie eines Sahara-Stammes reinzuarbeiten, muss eine Ursache haben – aber welche? Erfreulicherweise nutzt der Autor eine Story, die zum kampflastigen Fanservice-Kracher prädestiniert ist, auch um eine der gleichzeitig interessantesten wie unterhaltsamsten Figuren der Serie weiterzuentwickeln, auch wenn es eher Fragezeichen als Antworten sind, die er hinzufügt. Auch die unerwartete Kooperation zwischen Haaley und General Ashley Mara, deren Zerknirschung über das folgenschwere Scheitern einer Mission und ihre Selbstzweifel im Dialog mit einem Aran Kormak, der seinerseits mehr und mehr mit seiner ungewohnten Rolle des tadellos gerechten Militärs verwächst, machen die Handlung emotional, menschlich und eröffnen interessante Optionen für den weiteren Verlauf der Serie.

Etwas befremdet hingegen hat mich die Darstellung des Volkes der Hai'kamal, die zu Beginn der Folge eine wichtige Rolle spielen. In der Geschichte des Heftromanes ist ein Wüstenstamm, der abergläubisch ist, kannibalisch und darüber hinaus körperlich arg deformiert, mit Sicherheit nicht das erste Mal aufgetaucht. Ist ja auch wirklich herrlich trashig und passt in so manches Abenteuer- oder Horrorsetting! Die - weißen - Gefangenen müssen sich mit List befreien, was der weiblichen Protagonistin auch gelingt, unter anderem weil sie die testosteronbedingte Rivalität zweier junger Männer für sich zu nutzen weiß. So toll das auch geschrieben ist, wirken diese Klischees irgendwie doch aus der Zeit gefallen. Klar, es geht hier natürlich nicht ums dürfen – Literatur kann, darf und soll gerne alles! Doch die Hai'kamal würden sich in einer Pulp Novel aus den 60ern besser machen, als man ein paar „Wilde“ noch unbedarfter als erzählerisches As aus dem Ärmel zaubern konnte. Bei einer Leser/innenschaft im Jahr 2022 sind die Gräuel des europäischen Kolonialismus, wo solche klischierten Schilderungen ja ihren Ursprung haben, eher problematisch im Bewusstsein und daher nicht mehr wirklich zeitgemäß.

Doch davon abgesehen ist Smythe vs. Smythe ein gelungenes, unterhaltsames Heft in einer Romanserie, die gerade einen qualitativen Höhenflug erlebt.

[Dieser Artikel wird in leicht veränderter Form auch zeitnah auf phantastik-news.de erscheinen.]

3 Kommentare:

  1. Vielen Dank für die ausführliche Rezi! Unsere Meinungen gehen diesmal etwas aueinander, aber das können wir ja demnächst beim Fantreffen klären... ;-)
    Außerdem eine kleine Bitte: Würde es dir etwas ausmachen bei der geschlechtsneutralen Schreibweise auf den Backslash (/) zu verzichten und einen Doppelpunkt vorzuziehen? Ich will jetzt keine Grundsatzdebatte zum Thema "Gendern" auslösen. Es geht mir persönlich um den Doppelpunkt. Deine Leser mit TTS-Software würden es dir danken! :-)

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    1. TTS gegoogelt und wieder was gelernt! Das heißt, die Texterkennung streikt beim Backslash? Schade, es ist mein Lieblingsschreibweise. Versuch ich's das nächste Mal mit Sternchen... Doppelpunkt mag ich nicht so. Am schönsten wäre ein Komet, finde ich.

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