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Donnerstag, 21. Oktober 2021

Perry Wega: Mein Ausflug zur Rhodan. (Ein Logbuch)

Sorry für den blöden Titel, aber er hat nen handfesten Hintergrund, gebe ich der legendären SF-Saga doch tatsächlich nochmal ne Chance, obwohl mein Scheitern/Aufgeben doch definitiv beschlossen war. Wie konnte das passieren?

Erster Eintrag 19.03.2021

Erstens: Die Kultserie wird dieses Jahr 60 Jahre alt, und wer sich generell für SciFi, Fantastik und Pulp-Literatur interessiert, kommt doch kaum am Perryversum vorbei. Zweitens wirbt die Miniserie WEGA offensiv mit a) Einsteigerfreundlichkeit, b) Rückbezügen auf die Anfänge der Serie, die mir durch die ersten Staffeln Rhodan Neo und den EUROPA-Hörspielen mit dem wunderbaren Uwe Friedrichsen als Titelheld halbwegs vertraut sind, und c) einer Nr.1 mit geilen blutroten Cover ohne diese affigen Untertitel, auf die ja auch Neo schon verzichtet. Dass ich Nervbiber Gucky ertragen muss, hat mich bei so vielen Argumenten nicht von meinem Reflexkauf abgehalten. Und, obwohl ich weder Lust noch Kapazitäten habe, zum PR-Stammleser zu avancieren, ist mein Resümee erstmal ein positiv überraschtes. Michael Marcus Thurner liefert mit Im Licht der blauen Sonne eine gut geschriebene Pilotfolge mit übersichtlicher Gemengelage und gelungenem Spannungsaufbau. Eine übermächtige Invasion, die von einer anderen Dimension aus das Wegasystem einkesselt, putscht sich an die Macht - und verlangt die Auslieferung von Rhodan und Bull, die gerade einen Staatsbesuch absolvieren. Hier hätte ich gern noch mehr von den wundersamen Szenen in und um das neu gebaute Rote Rathaus, ähhh Palast gelesen! Doch zwei Raumjäger aus tiefer Vergangenheit (1975 n.Chr.) und mit ihnen die Pilotin Gillian Wetherby (mit der Reginald Bull offenbar mal ein Krösken hatte, das in der Perrypedia aber nicht verzeichnet ist) haben, in einer Schutzhülle aus vereister Zeit (!) eingekapselt, 2500 Jahre überdauert und tauchen nun, wie Murmeln von einer unsichtbaren Hand aufs Spielfeld geschnipst ebenfalls auf. Wetherby hat einen Auftrag: Rhodan vor dem Schlamassel warnen, in dem er jetzt steckt. Warum? Das wird sich im Laufe der Serie wohl noch klären, die Thurner auch exposeemäßig verantwortet. 

Zweiter Eintrag 5.04.2021

Auch ein schöner Zeitvertreib: Im Fanforum lesen, wie andere das Heft so finden. Im Falle von Im Licht der blauen Sonne wurde mir auf forum.perry-rhodan.net schmerzlich ein Spiegel vorgehalten: So unkritisch bin ich also? So leicht zu begeistern? In aller Ausführlichkeit tauschen sich also PR-Fans über Schreibtechniken, Figuren und ärgerliche Zugeständnisse an den Zeitgeist aus, als wäre die Redaktion der progressive Papst, die Community die reaktionäre Kurie... Ich übertreibe. Unterhaltsam ist's allemal, und nur Genörgel isses auch nicht, allerdings eine gewisse Überempfindlichkeit gegenüber Humor. Ich würde mir, wäre ich Autor, dieses Forum nicht geben, meine Güte... und das, wo die Miniserie WEGA bisher soviel Spaß macht! Ben Calvin Hary hat mit Die rollende Stadt einen fesselnden SF-Roman geschrieben, dessen Worldbuilding mit todesehnsüchtigen Metabolismus-Känguru-Menschen in einer runtergekommenden High-Tech-Steam-Welt so originell ist, dass ich auch dicke Hardcover über die Oigonen mit Begeisterung verschlingen würde. Ausserdem mausert sich Wetherby zu einer spannenden Heldin mit viel Potential, und B.C.H. schreibt richtig richtig gut! Hat der es nicht auch mal für meine Lieblingsserie Maddrax gemacht? Nur mit der Superintelligenz ES weiss ich noch nicht so recht was anzufangen. Was genau ist die, und warum spielt sie Schnitzeljagd? Da sind mir die Stammleser/innen vermutlich voraus, die auch, wie Foren-User RolfK, längst erkannt haben: "Nur Perry muss immer eine Mixtur von Old Shatterhand und Jesus abgeben, und deshalb verwehren die Autoren ihm häufig vernünftiges und angemessenes Verhalten." Womit er übrigens recht hat: Dass der Unsterbliche den Vogel, der symbiotisch mit dem Bösewicht verbunden ist, nicht einfach ausknipst, ist der grosse Schwachpunkt dieser Episode. 

Dritter Eintrag: 19.04.2021

Im Garten des Unsterblichen von Olaf Brill ist die dritte Episode der Miniserie und mehr oder weniger eine direkte Fortsetzung des Vorgängerbandes. In erster Linie wird weitererzählt, wie es in den 70ern mit Wetherby weiterging, ehe sie durch den Raumzeitriss in das Wegasystem von jetzt gespuckt wurde. Andererseits geht die Schnitzeljagd weiter. Dieser Handlungsstrang blickt auf die Unsterblichkeit zurück, die Rhodan von ES bekam und Crest da Zoltral eben nicht - ich werde als Normalerweise-nicht-Rhodan-Leser mit diesem Heft endgültig auf Stand gebracht. Der erstgenannte Handlungsstrang pimpt die Erzählung von der Dritten Macht und Galakto City aus den bundesrepublikanischen 60ern mit ein bißchen Diversity von heute, und das ist auch ganz schön zu lesen, zumal eine recht unterhaltsame Story um Geheimnisverrat, Zockermentalität und Loyalitätskonflikte mitgeliefert wird. Rhodans und Wetherbys Besuch in einem Hexenhaus in einer künstlichen Welt ist da eher etwas lahmarschig, zumal sich hier deutlich offenbart, was mich beim PR-Lesen mehr als einmal genervt hat: Gestelzte, unorganische Dialoge und eine Erzählhaltung, die eher in beamtischer Sachlichkeit die Settings und Ereignisse schildert, statt Atmosphäre aufzubauen und Spannung zu generieren. Diesbezüglich waren Heft 1 + 2 deutlich aufregender als Olaf Brills Beitrag - hoffentlich gehts in 14 Tagen eher im Sinne des Serienauftakts weiter. Zumal ich dem Mausbiber begegnen werde, das könnte eine harte Prüfung sein.

Vierter Eintrag: 10.05.2021

Madeleine Puljics Feind der Harthäuter ist der vierte Beitrag zur Miniserie, aber der erste weibliche und meiner Ansicht nach der bisher beste. Ein wesentlicher Faktor für zweieinhalb unterhaltsame und anregende Lesestündchen war dabei mit Sicherheit die klar umrissene Handlung, die jenseits ihres einfachen märchenhaften Charakters auf jegliches Mäandern verzichtet und gradlinig von Gucky und Bull erzählt, die im Zuge des Zweiten Kosmischen Rätsels auf Tramp gestrandet sind. Tramp, PR-Fans wissen es bereits, ich wusste es hingegen nicht, ist der Heimatplanet der Ilts, schon im zweiten Jahr der Hauptserie durch Insektoidenangriff zerstört, die Zivilisation der Mausbiber ausgelöscht. Ist dieses Tramp eine Simulation? Haben Bull und Gucky eine Zeitreise unternommen? Und ist die hungrige Raubkatze, die sich schon bald an Guckys Seite gesellt, ein Hinweis oder ein Hindernis des Rätselstellers ES? Auch wenn ich immer noch nicht weiß, wer dieses ES eigentlich genau ist und ob ich diese Entität nun gut oder panne finden soll, herrscht am Ende des Romans immerhin größere Klarheit, wozu diese ganze kosmische Schnitzeljagd nun eigentlich dienen soll. Schlicht originell ist aber unbestritten die dezimierte, aber wackere Population der Harthäuter - Roboter wie aus der Goldenen Ära des SF-Groschenromans, die sich über eine schier endlose Zeit hinweg rührend und vergeblich immer wieder selbst instandsetzen müssen, um den Zeitreisenden den entscheidenden Hinweis zu geben. Toll! (Übrigens wird im PR-Forum eher gemotzt, über Feind der Harthäuter als "Frauenroman" geätzt. Ein ziemlicher Abfuck, dieses Fandom. Echt.)

Fünfter Eintrag: 24.05.2021

An der Handlung liegt es nicht, dass ich Olaf Brills Die Mission des Wurms als fünfte von 12 Episoden nicht besonders gelungen finde. Perry und Wetherby sind, ihren Verfolger Kratakau im Schlepptau, ins Innere eines gigantischen Maschinenwurms versetzt worden, der sich auf der Suche nach einem verschollenen Artefakt durch die Kruste seines Planeten gräbt. Das alles geschieht seit hunderten von Jahren, die Technik ist marode. Die Gerstag, das beherrschende Volk der ziemlich multikulturellen und kriegerischen Besatzung, wissen selbst nicht mehr so recht, warum sie das triste Leben führen, das sie führen. Erstmal retten sie die Gestrandeten vor gefräßigen Eidechsen, die kollektiv einer übergeordneten Existenz dienen, und führen sie durch das antike Bohrgerät. Endlich in Sicherheit, verbündet sich Kratakau mit den Bösen, Rhodan mit den Guten, die auch stets auf den ersten Blick als solche identifizierbar sind. In einer Nebenhandlung wird der ferronische Befehlshaber von den Inavsoren wieder zusammengeflickt und androidisch gepimpt, im Zuge dessen auch ordentlich gebrainwashed - sind die Maccianer am Ende gar die Guten, die die Kolonisierung durch die Terraner vor dreitausend Jahren aufheben und den Ferronen endlich die Herrschaft über ihr eigenes Sonnensystem zurückgeben? 

60 Jahre nach Start der Serie ist ein kritischer Blick auf die eigene Erzählung ja eigentlich eine gute Idee, waren die 60er doch eine piefige, autoritätshörige Zeit und der unsterbliche Weltraumheld durchaus ein Kind dieser Ära. Auch die Frage, ob nicht in einer anderen Realität Wetherby die bessere Rhodan hätte sein können, wird kurz angerissen. Konsequenzen für die Handlung haben diese Fragestellungen bisher aber kaum. Und allein die Tatsache, dass die Handlung des Heftes so sachlich und spannungsarm abgefrühstückt wird wie leider viel zu oft bei PR, läßt den viel beworbenen sense of wonder ein leeres Versprechen bleiben - obwohl die Zutaten eigentlich stimmen. 

Sechster Eintrag: 01.07.2021

Ich bin mit mittlerweile 3 Heften in Verzug! Wobei ich immerhin Dietmar Schmidts "Hinter den Truhen" gelesen habe und vermelden kann, dass er mir ganz okay gefallen hat. Genaueres und Weiteres kommt nach meinen Ferien. Groß ist zumindest die Vorfreude auf Heft Nr 10! MX-Autorin Lucy Guth schreibt "Finale auf Tramp" - kann nur grossartig werden!

Siebenter Eintrag: 13.08.2021

Ich habe nun Heft 7 gelesen und konnte es mir nicht verkneifen, die direkte Fortsetzung Nr 10 gleich hinterher zu schieben. Das heisst, 8 + 9, deren Handlung sich Rhodan und Wetherby widmet, liegen zunächst auf Eis. Zuviel Vergnügen bereiteten mir Oase der Mutanten und Finale auf Tramp, die den zweiten Handlungsstrang um Guckys verschollenen Heimatplaneten zum Thema hat und sowohl ein rührendes Wiedersehen mit dem Roboter Wertiglos bietet als auch mit einem Streit zwischen Bull und dem Mausbiber, dem mutigen Ilt-Mädchen Ghiafir und der Raubkatze Mink - die ich mir radikal anders vorgestellt habe als das Coverbild sie ausweist - Figuren und Handlung im Gepäck haben, die mich mit dem eher langweiligen Zwölfteiler versöhnen. Gemeinsam mit Feind der Harthäuter ergibt sich eine Art abgeschlossene Trilogie innerhalb der Reihe, die stimmig erzählt, emotional bewegt und inhaltlich interessant ist. Wobei mir diese Rhodan-Reise insgesamt nochmal deutlich vor Augen führt, dass "spannend" nicht das rechte Wort ist, die Abenteuer der German-SF-Legende zu beschreiben. Die Tramp-Trilogie jedenfalls hat mit Lucy Guth, Katharina V. Haderer und Madeleine Pulijc ein rein weibliches Autorinnen-Team und sticht positiv hervor. "Frauen schreiben eben gern über Frauen und Kinder," läßt sich ein User im Rhodan-Forum aus, das zu studieren eine gruselige Erfahrung für sich ist, nach der ich das dringende Bedürfnis habe zu duschen. So ein Chauvi-Müll steht tatsächlich da, und ist nicht ironisch gemeint! Wenn Gucky dann sich aber im Finale auf Tramp der Erfüllung seiner Aufgabe widmet und trotz Gelegenheit nicht anfängt, mit dem Ilt-Mädchen zu flirten, is' auch wieder nicht richtig. Wollen die Herren Leser am Ende doch Romantik? Oder wenigstens mal ein paar Mausbiber-Titten vor ihrem inneren Auge sehen? Ich check' es nicht.

Letzter Eintrag: 21.10.2021

Wie ein Mahnmahl lagen sie für Wochen da herum, auf meinem Schreibtisch, die verbliebenen vier Episoden von WEGA. So wirklich interessierte mich das letzte Drittel meiner Reise nicht mehr, ein toter Punkt war erreicht. Doch ein wenig Ehrgeiz blieb mir dann doch, mich nicht mit einer unvollendeten Serie abzufinden. Also den Raumanzug geschnürt und die Heftchen schnell noch wegzulesen. „Hort der Transformation“ von Roman Schleifer hält als große Überraschung bereit, dass die Macciani gar keine Cyborgs sind, sondern Maschinen mit Pinocchio-Komplex: Sie wollen Humanoide werden. Erzählerisch ist das Ding unkompliziert. Ermüdende Actionszenen in der zweiten, dafür schöner Cyberpunk-Trash in der ersten Hälfte. Fast hätte Gillian Wetherby deutlich an Profil gewonnen, aber leider nur fast. - Ziemlich freaky ist Arno Endlers „Leuchtfeuer auf Graborflack“, wobei Graborflack ein Bergbau-Asteroid im Wegasystem ist, auf dem Wetherby und Rhodan mithilfe einer verwaisten Irgendwas-Anlage eine Falle für Blau-Nakken bauen. Diese wiederum sind fünfdimensionale Croissantartige. Oder Nacktschnecken. Oder so. Jedenfalls ist der Roman recht technikaffin, erfrischt aber im mehrdimensionalen Raum immer mal wieder mit Passagen, die sich wie wie ein Robert Anton Wilson/Michael Ende – Crossover lesen. Macht deutlich mehr Laune als viele andere Folgen der Serie, auch wenn ich nicht immer ganz mitgekommen bin! Im vorletzten Band mochte ich die Robo-Genesis, denn die Robos haben lustige Namen. Die Raumgefechte allerdings fand ich stinklangweilig, wie ich überhaupt Raumgefechte in der Regel stinklangweilig finde. Das Problem liegt also ganz auf meiner Seite; es ist nicht Ben Calvin Harys Schuld, dass ich mit „Der Bastardprinz“ in den Sack haue und den letzten Band jetzt doch ungelesen einmotte. Es interessiert mich nach diesen elf Romanen einfach null, wen und womit dieses - sorry - hanebüchene Konstrukt „ES“ beschenkt und warum. Stattdessen nehme ich das zum Anlass, eine kleine Beststandsaufnahme dieses Ausflugs zur Rhodan und warum ich meine Versuche, mich doch noch irgendwie für dieses Serienuniversum zu begeistern, allmählich einstellen sollte. Denn war ich anfangs noch ganz angetan, schwand mein Interesse immer mehr. Nicht zum ersten Mal geht es mit mit dem Unsterblichen so.

Warum ist das so? Ich habe beim Nachdenken eine klare Antwort gefunden: Der Verlag wirbt gerne mit dem Claim, die Romane hätten „Sense of Wonder“. Meine Diagnose: Aber genau das fehlt ihnen! In vielen (nicht allen!) Rhodans, die ich bisher im Leben so gelesen habe, gibt es keinerlei Blick aus der Perspektive von Figuren, die sich über irgendwas wundern. Oft entsteht bei mir der Eindruck, es mit journalistischen Texten oder gar etwas zu ausführlich geratenen Exposees zu tun zu haben. Keine Spannung, keine emotionalen Andockpunkte, keine Zeit für nachvollziehbare Psychologie – kein Staunen über die Wunder des Universums. Alles abgeklärt, wegerklärt, Routine. Keine Psychokrisen - und dazu noch „relative Unsterblichkeit“ und ein Anzug namens SERUN, der alle Probleme für mich löst. Wie herrlich nahmen sich da doch die zwei weiblichen WEGA-Beiträge aus, die auf Tramp spielen! Oder die wundersame Reise in die Rollende Stadt! Doch allein die Tatsache, daß ich mir beim Abgleich mit den Mehrheitsmeinungen im Rhodan-Forum eingestehen muß, dass das nicht viele Leser/innen ähnlich sehen, zeigt mir: Vielleicht ist PR ja einfach nicht die richtige Serie für mich. Ich sollte die Klappe halten. Trotz des herrlich dicken Schinkens, den Eschbach vor 3 Jahren geschrieben hat und den ich begeistert verschlungen habe; trotz der EUROPA-Hörspiele, die ich als Kind so mochte. Von daher: Es wäre schön gewesen. Aber andere Mütter haben auch schöne Raumfahrer. Ciao Perry!


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