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Montag, 18. Oktober 2021

MX567 – Umbusi kann warten

Trat die Handlung der Serie zuletzt ein wenig auf der Stelle, verheißen schon Titel und Cover von Simon Borners Beitrag „Die Erkundung der Welt“ Aufbruch und Entdeckerlust. Atmosphärisch irgendwo zwischen Jules Verne und Urlaubsprospekt verortet, verspricht die Optik einiges, was der Autor auch durchaus einlöst: Der Sohn des Kaisers, Victorius de Rozier, macht sich mit kleinem Luftschiff und gegen den eindringlichen Rat seiner Vertauten auf den Weg in jene Parallelwelt, die uns bereits seit 17 Ausgaben beschäftigt und die durch einen Weltenriß am Victoriasee bereist werden kann. Wie es zunächst den Anschein hat, ist die komplette Welt mit dem dunklen Keim infiziert, einer Art Virus, die auf die kosmische Identität des „Wandlers“ zurückgeht und seine Wirte bei gleichzeitiger religöser Verzückung zu willenlosen Unmenschen macht. Doch Victorius entdeckt eine Enklave freier Menschen, die sich auf einer Insel isoliert haben. Eine Insel der Seligen ist diese fortschrittliche, aber autoritär strukturierte Gemeinschaft jedoch keinesfalls.

Meine Kritik an dieser Episode läßt sich kaum spoilerfrei darlegen. Doch das Positive überwiegt und will zuerst genannt werden: Da wäre zunächst die thematische Fülle. Borner nutzt sowohl eine sich über Jahrhunderte erstreckende Nebenhandlung als auch den eigentlichen Plot, um Bezüge zur Gegenwart der Lesenden herzustellen. Die aktuelle Debatte um Rassismus und das schwierige Erbe der Kolonialzeit etwa, aber auch Andeutungen auf die „No-Covid“-Politik Australiens werden reflektiert. Darüberhinaus gelingt es Borner, das für die 64 Seiten Romanheft etwas zu groß geratene Geschehen mit einer schlaglichtartigen Erzählweise in Form zu stutzen, die wiederum aufgrund seines schnörkellosen Sprachgestus' ganz aus einem Guss daherkommt.

Der Kaisersohn hat einen Begleiter. Umbusi, Zulu für Herrscher, geht auf eine eingekapselte Infektion mit dem Dunklen Keim zurück und nistet als eine Art Mister Hyde in der Psyche des manchmal etwas naiven Victorius. Schien mir die Einführung der Figur im Roman „In Feindesland“ noch etwas bemüht und psychologisch unterkomplex, kann Borner in diesem Heft mit Umbusi punkten. Das symbiotische Spiel zwischen Victorius und dem Antagonisten in seinem Inneren bietet viele Facetten von Unterstützung, Manipulation, Trickserei und offenem Kampf, die genüsslich auserzählt werden und das eigentliche Salz in der Suppe sind. Doch dass – hier sind sie nun, die angekündigten Spoiler! - Victorius allzu blauäugig seinen ursprünglichen Plan aus den Augen verliert, vor allem aber dass die Enklave Sou'land und mit ihr Victorius' Bettgeschichte, die Wissenschaftlerin Sanyu, schon zum Ende des Romans untergehen, ist mehr als bedauerlich. Was für eine interessante, ambivalente Community! Die Weitererzählung dieser Inselgemeinschaft und eine Verknüpfung mit den Bemühungen von Matthew Drax und der Dark Force um die Rettung seiner Welt hätten großes Potential geboten und die Serienhandlung einen spannenden Aspekt ergänzt. Schade, versenkt. Unterm Strich aber ne gute Folge!

(Und wo ich gerade schon beim Nörgeln bin: Waren wir uns nicht einig, dass der Komet / die Raumarche in der Parallelwelt „Floyd“ hieß, ohne „Christopher“? Zumindest hat Sascha Vennemanns grandioser Zyklusauftakt diesen Fakt gesetzt - hier ist aber wieder von Christopher Floyd die Rede. Etwas schade, denn solche Schludrigkeiten mögen zwar lässliche Sünden sein – eine gewisse Konsistenz bei solchen Details steigert jedoch das Lesevergnügen...)

[Dieser Artikel wird in leicht veränderter Form auch zeitnah auf phantastik-news.de erscheinen.]

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