Meine Kritik an dieser Episode läßt sich kaum spoilerfrei darlegen. Doch das Positive überwiegt und will zuerst genannt werden: Da wäre zunächst die thematische Fülle. Borner nutzt sowohl eine sich über Jahrhunderte erstreckende Nebenhandlung als auch den eigentlichen Plot, um Bezüge zur Gegenwart der Lesenden herzustellen. Die aktuelle Debatte um Rassismus und das schwierige Erbe der Kolonialzeit etwa, aber auch Andeutungen auf die „No-Covid“-Politik Australiens werden reflektiert. Darüberhinaus gelingt es Borner, das für die 64 Seiten Romanheft etwas zu groß geratene Geschehen mit einer schlaglichtartigen Erzählweise in Form zu stutzen, die wiederum aufgrund seines schnörkellosen Sprachgestus' ganz aus einem Guss daherkommt.
Der Kaisersohn hat einen Begleiter. Umbusi, Zulu für Herrscher, geht auf eine eingekapselte Infektion mit dem Dunklen Keim zurück und nistet als eine Art Mister Hyde in der Psyche des manchmal etwas naiven Victorius. Schien mir die Einführung der Figur im Roman „In Feindesland“ noch etwas bemüht und psychologisch unterkomplex, kann Borner in diesem Heft mit Umbusi punkten. Das symbiotische Spiel zwischen Victorius und dem Antagonisten in seinem Inneren bietet viele Facetten von Unterstützung, Manipulation, Trickserei und offenem Kampf, die genüsslich auserzählt werden und das eigentliche Salz in der Suppe sind. Doch dass – hier sind sie nun, die angekündigten Spoiler! - Victorius allzu blauäugig seinen ursprünglichen Plan aus den Augen verliert, vor allem aber dass die Enklave Sou'land und mit ihr Victorius' Bettgeschichte, die Wissenschaftlerin Sanyu, schon zum Ende des Romans untergehen, ist mehr als bedauerlich. Was für eine interessante, ambivalente Community! Die Weitererzählung dieser Inselgemeinschaft und eine Verknüpfung mit den Bemühungen von Matthew Drax und der Dark Force um die Rettung seiner Welt hätten großes Potential geboten und die Serienhandlung einen spannenden Aspekt ergänzt. Schade, versenkt. Unterm Strich aber ne gute Folge!
(Und wo ich gerade schon beim Nörgeln bin: Waren wir uns nicht einig, dass der Komet / die Raumarche in der Parallelwelt „Floyd“ hieß, ohne „Christopher“? Zumindest hat Sascha Vennemanns grandioser Zyklusauftakt diesen Fakt gesetzt - hier ist aber wieder von Christopher Floyd die Rede. Etwas schade, denn solche Schludrigkeiten mögen zwar lässliche Sünden sein – eine gewisse Konsistenz bei solchen Details steigert jedoch das Lesevergnügen...)
[Dieser Artikel wird in leicht veränderter Form auch zeitnah auf phantastik-news.de erscheinen.]
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