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Sonntag, 13. Juni 2021

MX 558 - Pulp für Freudianer?

Michael Marcus Thurner, als Autor bei Perry Rhodan deutlich präsenter als bei Maddrax, kehrt mit In Feindesland zu seiner einstigen Stammserie zurück – gewissenmassen als Experte für Pilatre de Rozier, jener (historisch verbrieften) Figur im Maddraxiversum, die es aus dem 19. Jahrhundert in die dunkle Zukunft verschlagen und der im postapokalyptischen Afrika ein Kaiserreich voll fliegender Städte und höfischer Sitten errichtet hat. Ein alter Serienbekannter also.

Im aktuellen Zyklus, der (zunächst) Afra zum Hauptschauplatz hat, wird er wieder gebraucht, und sei es nur, um den kaiserlichen Staffelstab an Sohnemann Victorius weiterzugeben. Der wiederum ist in einer dunklen Parallelwelt verschollen und kann gar nicht verhindern, dort von dem Keim infiziert zu werden, der Menschen zu hörigen Jüngern einer finsteren Gottheit macht - des Streiters nämlich, ebenfalls kein Unbekannter in der besten Dime-Novel-Reihe der Welt. Victorius handelt hier erstmals eigenverantwortlich und lernt, wie gut es tut, dem stets wertenden Blick des Übervaters zu entkommen, selbst wenn die Umstände widrig und die getroffenen Entscheidungen nicht immer glücklich sind. Pilatre, nur knapp dem Tod entkommend, begreift seinerseits aber auch, dass er sich zurückziehen und Vertrauen lernen muss.

Somit steht in der 558. Maddrax-Episode ein Vater-Sohn-Konflikt im Mittelpunkt, der dadurch verschärft wird, dass der Filius nicht nur mit den alten Dämonen seiner Kindheit im Goldenen Käfig, sondern auch gegen einen neuen inneren Gegner kämpfen muss. Denn der dunkle Keim hat ihn zwar infiziert, doch seine Charakterstärke und letztlich auch die tiefe Liebe zu seinem problematischen Vater läßt dem Bösen wenig Platz in seinem Herzen. So muss es sich in den Kokon einer eigenständigen Persönlichkeit abkapseln, nennt sich Umbusi (Zulu für Herrscher) und ist stark, aber beherrschbar. 

Seid Sigmund Freuds Totem Und Tabu kennen wir den Prozess, sich vom Erzeuger loszustrampeln, um ihn aus der Distanz heraus doch wieder ehren zu können, als "Vatermord", eine elementar wichtige Stufe in der Entwicklung junger Männer. Dieser Prozess ist gut und nachvollziehbar in der vorliegenden Romanhandlung wiederzuerkennen. Ein dickes Psycho-Brett, dass Thurner da bohrt. Und als Leser und Fan der Serie fällt es mir nicht leicht zu resümmieren, dass diese mutige Themensetzung keinen wirklich aufregenden Roman zum Ergebnis hat. Etwas zu routiniert erzählt, um wirklich zu berühren. Etwas zu angeschafft die Figur des Umbusi, etwas zu unterkomplex seine Entstehung. Neuigkeiten, die die Gesamthandlung vorantreiben, gibt es ebenfalls keine. So dümpelt eher spannungsarm vor sich hin, was durchaus das Zeug zu einem interessanten Psychogramm gehabt hätte, aber das Suspense-Niveau der vergangenen Ausgaben leider nicht ganz halten kann. Auf der Habenseite: Ein tolles Cover aus der Feder von Néstor Taylor, die interessante Nebenfigur des Gardisten Kyraan von Tsambaali im Loyalitätskonflikt und einen Ohrwurm, der sicher ein paar Tage hält: Die südafrikanische Befreiungshymne Sooshoolooza

[Dieser Artikel wird in leicht veränderter Form auch zeitnah auf phantastik-news.de erscheinen.]

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