Und
auf die ??? aus Rocky
Beach komme ich nicht von ungefähr, denn ich habe mir im Wohnwagen
die Graphic Novel Das Dorf der Teufel
aus dem Lesestapel meiner Kids gemopst. Wie viele meiner Generation
habe ich der Buch- und Hörspielreihe um Justus, Peter und Bob bis
ins Erwachsenenalter die Treue gehalten und wurde neben zahlreicher
Fließbandware auch immer mal wieder mit tollen Krimis beglückt.
Erst in den letzten Jahren hatte ich letztlich doch das Interesse
verloren. Dorf der Teufel
emanzipiert sich bis auf den charakteristischem Schriftzug
(weiß-rot-blau) optisch deutlich von der ikonischen Covergestaltung
der Aiga Rasch aus den späten 70ern, dem die Reihe im
deutschsprachigen Raum immer noch verpflichtet ist wie die
US-Burgerkette ihrem goldenen M - dieser Unterschied springt zuerst
ins Auge. Christopher Tauber und Asja Wiegand setzen in Stil und
Farbgebung einen entschiedenen Stil durch, der Comic sieht insgesamt
super aus. Chauffeur Morton und sogar ein Vorwort von Alfred H. lassen
nostaligische Gefühle aufkommen. Leider ist die Handlung aber bloß
???-typische
Konfektionsware. Meiner Meinung nach hat der Kosmos-Verlag hier die
Chance vergeben, mit der Comicreihe auch erzählerisches Neuland zu
betreten – z.B. wäre eine Verlagerung des Plots in die
ursprünglichen 60er oder ein „erwachsenerer“ Krimi dem look-and-feel dieses
Bandes angemessen gewesen. Schade.
Spaß
zu lesen haben auch die gedruckten Blogposts der Zwillingsbrüder
Hansen und Paul Hoeppner gemacht, die vor einigen Jahren unter dem
Titel Zwei nach Shanghai
erschienen sind. Die beiden Jungs sind tatsächlich mit dem Rad und
spartanischem Gepäck 13600 km von Berlin nach Shanghai gefahren, ich
bin schonmal bei Youtube auf dieses abenteuerliche Unternehmen
gestoßen. Die Reise ist auch bestens in einem Film dokumentiert, den
ich nach der Lektüre dieses spannenden, anekdotenreichen
Reiseberichts aber wohl nicht mehr schauen muß. Wobei eine
ausführlichere Fotostrecke und etwas weniger familiäre Nabelschau, dafür mehr
Reisebericht dem Sachbuch sicher zusätzlich gut getan hätten. Eingedenk meiner
eigenen Basic-Reiseabenteuer im Alter der Hoeppner-Twins (Irland,
Schweden, Portugal... seufz) ein Lesetrip, der mich zwischen
Beeindruckung und Nostalgie hat schwanken lassen – auch wenn sich
nicht annähernd so
eine außergewöhnliche Reise in meiner Biographie finden läßt, weiß
ich doch noch gut, wie geil es ist, völlig fertig und verdreckt in einem
Zelt unter den Sternen irgendwo im Nirgendwo zu nächtigen – toll.
Danke für euren Mut und euer Durchhaltevermögen, ihr beiden!
Außerdem
standen zwei Maddrax-Heftchenromane auf meiner Urlaubsagenda, nämlich
die aktuelle Episode Melange von
Ian Rolf Hill und die Nr. 40 aus dem Jahre 2001 Die Faust
Gottes von Jo Zybell, der in der
Anfangsphase zahlreiche Romane für die Serie verfaßte, von denen
ich noch keinen schlecht fand, auch das Hardcover Apokalypse,
das die MX-Vorgeschichte beleuchtet, hat mir gut gefallen. Faust
Gottes ist ein Crossover mit
einer mir unbekannten Serie mit dem Titel Reverend Pain um
einen postapokalyptischen Dämonenjäger mit Lederkutte und Motorrad.
Interessante Trash-Figur... Melange ist
jedoch der eindeutig bessere Horror-Schocker. Meine Güte, I.R.H. ist
hier wirklich vor nix fies und präsentiert einen Bad-Taste-Roman vom
Allerfeinsten, der eine direkte Fortsetzung zum Vorgänger Krieger
des Lichts bildet und den
sympathischen Rebellentrupp um Olivia Cunning in der unfreiwilligen
Symbiose mit einer Biomasse aus der Zukunft zu energiehungrigen
Monstern mutieren läßt, die sich über die degenerierte
Menschensiedlung um eine leckgeschlagene Atommülldeponie hermacht...
Was für ein Wahnsinn, geil.
Olivia
heißt auch die Protagonistin eines in vielerlei Hinsicht völlig
anderen Buchs, das ich hier beim Angeln und Chillen (Super Wetter!) verschlungen
habe: Mit Blick aufs Meer
von Elisabeth Strout – eine Empfehlung meiner Mutter, an der ich im
Buchladen sicher vorbeigelaufen wäre (und vermutlich auch bin): Das
Cover sieht schwer nach Frauenroman aus, und auch die Zitate auf dem
Buchrücken stammen von der Freundin, der Brigitte und von Christine
Westermann – also Lektüre, die ich normalerweise links liegen
lasse. Aber daß Strout 2008 den Pulitzerpreis für diesen
Episodenroman bekommen hat, hat mich dann doch neugierig gemacht. Ich
bin froh, dieses tolle Buch gelesen zu haben und werde mich sicher
auch der Fortsetzung widmen, die erst seit Kurzem erhältlich ist.
Die zahlreichen Episoden erzählen einfühlsam, aber niemals
sentimental von kleinen und großen Dramen in einer kleinen
Küstenstadt in Maine. Irgendwie immer mit im Bild sind die
pensionierte Olivia Kitteridge und ihr freundlicher Mann Henry, mal
als Randfiguren, mal im Fokus der Erzählerin. Kitteridge ist
wahrhaftig keine sympatische Frau: Voll von Vorurteilen, Zynismus und
Gewichtsproblemen, sehen wir als Leser*innen die Welt trotzdem durch
ihre Augen, leiden und lieben mit ihr, auch wenn unser Verstand immer
Partei für diejenigen ergreifen muß, die Kollateralschäden ihres
ungnädigen Wertesystems sind: So auch der eigene Sohn, sogar ihr
Mann... Unbezahlbar gut ist die Story von der Geiselnahme im
Krankenhaus, aber letztlich hat jede der Episoden hat eine eigene,
nachaltige Qualität. Und wenn die Brandung an die schroffe Küste
heranrollt, die Hummerboote schaukeln und die Möwen kreischen, läßt
mich das lakonisch-hoffnungsvolle Ende nachdenklich zurück.
Auch
das Handbuch für Zeitreisende
von Charles Yu durchzieht ein melancholischer Grundton. Daß der
Roman von einer schrägen Grundidee getragen wird und stellenweise
auch recht witzig ist, hat den Verlag bewogen, auf dem Buchrücken
einen Vergleich mit Douglas Adams anzustrengen. Doch das ist reines
Marketing. Das Handbuch für Zeitreisende hat seine Highlights an
ganz anderer Stelle, eine kosmische Freak-Show findet man hier jedoch
nicht. Yu, Protagonist und Ich-Erzähler in einer Person, repariert
Zeitmaschinen und befreit Zeitreisende aus Paradoxie-Pannen und
Zeitschleifen. Erfinder und verkanntes Genie der Zeitreisetechnik,
die mittlerweile ein Massenmarkt ist: der eigene Vater. Und so
reflektiert der Autor sensibel und humorvoll über die Beziehung von
Vätern und Söhnen, über das Schreiben, die Einsamkeit, seine
asiatische Herkunft und die Science-Fiction als solche. Und weil ich
Science-Fiction grundsätzlich mag, hat auch in diesen Ferien mal wieder ein gescheiterter
Versuch stattgefunden, mich dem Perry-Rhodan-Universum anzunähern,
der bedeutendsten SF-Romanheftserie überhaupt. Der PR-NEO-Band 230
Ruf der Dunkelheit
läutet eine neue Staffel der Serie ein, und ich habe erneut den
Einstieg versucht. Ich kenne ein paar der alten Hörspiele mit dem
wunderbaren Uwe Friedrichsen als Titelheld, mag den großen Roman von
Eschbach und habe auch an der ersten Staffel der Rhodan-NEO-Reihe
Gefallen gefunden – als es mit Band 10 in das Wega-System ging,
Gucky und die Topsider auftauchten, war ich irgendwie raus. Oliver Plaschka
schreibt das vorliegende Taschenheft solide, aber der Funke will auch
diesmal partout nicht überspringen. Der Unsterbliche und ich werden wohl in
diesem Leben nicht mehr zusammenkommen, auch wenn ich aufgrund von
Kultstatus und Aufmachung der Hefte irgendwie gern Teil der Fangemeinde wäre. Aber es funzt einfach nicht so richtig.
Bleibt
noch die Judenbuche. Ich
will nicht groß lästern, und die Stellung der Novelle in der
Literaturgeschichte hat ganz sicher ihre Berechtigung. Es geht irgendwie
um Schuld, um archaisches Recht, und ein Leben in der Provinz –
aber letztlich war es sprachlich und erzählerisch eine furchtbare Qual, die ich nach zwei Dritteln abbrechen mußte – zum Glück
verlangt nach den Ferien niemand von mir, eine Klausur darüber zu schreiben.
Es ist sicher nicht leicht, Schüler*innen für Klassiker zu
begeistern, aber es gibt bestimmt geeignetere Stoffe, liebes Lehrpersonal –
der Schimmelreiter z.B. würde sogar eine vielversprechende Vorlage für eine
Netflix-Serie abgeben, s.o. Thoeodor Storm also, und Elisabeth Strouts Mit Blick aufs Meer waren meine
literarischen Höhepunkte dieses dreiwöchigen Corona-Downshiftig-Deutschland-Urlaubs:
Eine durch und durch maritime Angelegenheit, und das mitten im schönen
Rheinland-Pfalz.
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