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Donnerstag, 23. Juli 2020

MX 535 - Ein Gruß aus der Drogenküche


Ein Stück Parallelwelt, ein dornenumranktes Areal von 50 km Durchmesser, poppt unerwartet in der postapokalyptischen Zukunft des Jahres 2550 auf - soweit also alles beim Alten bei meiner Lieblings-Pulp-Heftchenserie MADDRAX, die ich laut Aussage meiner Teenager-Kids "suchte" (Schulhofdeutsch für nach der ich süchtig bin, also mit kurzem U, hat nix mit Suchen zu tun). Ungewöhnlich an dieser Episode, ersonnen durch das krass erweiterte Brain des Stefan Hensch, ist erstmal die Nähe zur geschichtlichen Realität des uns bekannten Universums: Keine High-Tech-Römer oder Steampunks begegnen uns, sondern da macht in den frühen 1960ern ein junger charismatischer Havard-Professor für Psychologie von sich reden, indem er die Nutzung von LSD für bewußtseinserweiternde Zwecke propagiert und eine große (breite😜?) Anhängerschaft um sich zu scharen vermag. Die Hoffnungen in die psychoaktive Substanz sind immens: Auf persönlicher Ebene könnten durch íhren gezielten Einsatz gesellschaftliche Blockaden und Konditionierungen überwunden und gar umprogrammiert werden, auf gesellschaftlicher Ebene würden eben durch jene Entfesselung des Geistes wissenschaftliche Fortschritte erzielt, die die Besiedlung des Weltraumes und letztlich die Überwindung der Sterblichkeit zur Folge hätten. Da ich mich erst vor kurzem etwas intensiver mit dem historischen Leary und seinem Denken beschäftigt habe, war ich natürlich voll gespannter Erwartung auf "Im Rausch der Sinne". Nach dem Lesen würde ich als Fazit ziehen: Eine gelungene und spannend erzählte Serienfolge, deren interessante Hypothese aber vielleicht noch konsequenter weitergedacht hätte sein können. (Ich sondiere hier ja keine Sternchen oder sowas, aber wenn, dann wären es wohl viereinhalb.)
   Die 60er im Paralleluniversum weisen nämlich (hier fiel mir F. Schätzings zweieinhalb-Sterne-Schinken Tyrannei des Schmetterlings ein) im Grunde kaum Abweichungen zu unserer Geschichte auf (auch nicht zur MX-Serienrealität, dürfen wir doch sogar Jacob Smythe als Baby kennenlernen...) Anders als in echt aber, erfindet der Parallel-Leary nach der Illegalisierung von LSD die Ersatzdroge MDT - er gewinnt sie aus dem sogenannten Tolteken-Salbei, den seine Lebensgefährtin Maxine bei ihren ethnologischen Studien in Mittelamerika entdeckt hat. Und das Zeug hält, was Leary sich von LSD versprochen hat! In einer Art rauschhafter Hyperintelligenz entdecken die User sogar prophetische und telekinetische Fähigkeiten - wenn auf der anderen Seite der Waagschale nicht der Absturz in die totale Verblödung wäre...

Dieses Setting ist für sich genommen schon so interessant, daß ich die Verknüpfung in die Serienhandlung von Maddrax gar nicht vermißt habe, sondern gern noch weitere zweihundert Seiten dieser Erzählung gefolgt wäre. Aber logischerweise muß Hensch die Machete ansetzen und Richtung 2550 ein paar Schneisen in den Plot schlagen. So hat Smythes Vater plötzlich Gründe, dringend in die vermeintliche Zukunft zu reisen, ein Portal dazu findet sich dankenswerterweise in einem früheren Band der Serie, der Flug der RIVERSIDE über die Dornenhecke liest sich ebenfalls eher wie erzählerisches Pflichtprogramm. Wäre es nicht auch spannend gewesen, daß die Menschen der Parallelrealität sich dank (?) MDT tatsächlich zu jenen Überwesen entwickelt hätten, die Leary als nächste Evolutionsstufe vorschwebten, während andere sich aufgrund der Nebenwirkungen aber radikal zurückentwickelt hätten? Auf der Habenseite des Romans stehen aber ein gewohnt guter Erzählstil, zahlreiche witzige Filmzitate und Worrex' geniale Verkleidung ;-) Auch von der Aufmachung her ein schönes Heft - und die kurze Leserstory von Torsten Scheib in der Mitte des Heftes gefällt mir ebenfalls.

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