Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 2. Oktober 2020

MX 540 - Menschengemachte Postapokalypse

Der aktuelle Parallelwelt-Zyklus der Serie ist auf 50 Hefte ausgelegt, 41 davon sind bisher erschienen. Das bedeutet konkret: Der Countdown Richtung Showdown läuft. Das Autor*innenteam gönnt uns aber mit einem veritablen Stand-Alone-Abenteuer ohne das Maddrax-Hauptpersonal (die lassen sich sogar in einem eigens zu diesem Zweck geschriebenen Kapitel entschuldigen) noch eine Atempause. Allzu tief einatmen sollte man allerdings nicht, will man nicht an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung elendig zugrunde gehen. Aber der Reihe nach.

Alexander Pofski ist Luftschiffpilot, Kartograph und Abenteuer, an der Seite seiner Tocher Irmela verfolgt er hartnäckig die Mission, die veränderte Geographie der Erde nach dem Kometeneinschlag vor 500 Jahren vollständig zu erfassen und zu archivieren. Maddraxikon und Fußnoten geben Aufschluß darüber, daß beide Figuren in früheren Abenteuern der Serie bereits eine Rolle spielten und dort einen wesentlichen Teil des erstellten Kartenmaterials an Aruula verloren. Unverdrossen macht Pofski sich erneut ans Werk und kommt in Der Giftplanet von Oliver Müller jenem Phänomen auf die Spur, das uns schon durch den kompletten Zyklus begleitet: Areale von Parallelwelten, die in der vertrautenten Realität aufpoppen. Wo einst Rooma stand, flimmern nur noch ein paar Raum-Zeit-Verwerfungen über den verwüsteten Boden, und die Ruinenstadt Monaco wird gegen ihr Pendant von einer Erde ausgetauscht, in der nicht Kristofluu, sondern die Menschen selbst für die Unbewohnbarkeit ihres Heimatplaneten gesorgt haben - dort schreibt man das Jahr 2122. (Im RealLife 150 Jahre nach dem ersten warnenden Bericht des Club Of Rome und 104 Jahre, nachdem eine gewisse Greta Thunberg mit einem selbstgemalten Pappschild vor dem Schwedische Parlament auftauchte, um gegen den Klimawandel zu protestieren.)

Zeichnung: Guido Kühn / guidos-welt.de

Der Wissenschaftler Jeremy Lesieux ist daran gescheitert, mit seinem CO2-Umwandler die natürliche Umwelt lebenswert zu erhalten. Daran tragen vor allem, wie wir lernen, die Archivare Schuld - warum genau, hat sich mir aber beim Lesen allerdings nicht so recht erschlossen. Nur noch wenige Menschen leben unter künstlichen Energiekuppeln. Als das unbewohnbare Monaco dieser Realität gegen die bewohnte Ruinenstadt der uns vertrauten MX-Erde ausgetauscht wird, kommt es für deren Bewohner zu einer Katastophe: Die obligatorische Dornenhecke kann die vergiftete Atemluft der Umgebung nicht aufhalten. Mittendrin Irina und - hoch in den Lüften - Papa Pofski auf der Suche nach ihr. Das Töchterchen kann sich in die Kanalisation retten und wird dort in ein Abenteuer mit alten Serienbekannten verwickelt: Hoorge, die Meffia und die wundersamen Früchte aus dem verbotenen Garten samt Risiken und Nebenwirkungen. Dieser Handlungsstrang ist aber nicht nur für versierte Altleser verständlich; auch ich habe ziemlich schnell gerafft, wer wer ist und was von wem warum will.

Überhaupt kann ich Oliver Müllers Serienbeitrag nicht vorwerfen, überkomplex zu sein. Das ist aber rundweg positiv gemeint: Müller erzählt eine einfache, kurzweilige Geschichte, die es dennoch in sich hat. Die Öko-Dystopie mag zwar standesgemäß pulpig-anschaulich geschildert und nicht unbedingt wissenschaftlich korrekte Hard-SciFi sein (rote Dunstschwaden etc),  das Massensterben hunderter unschuldiger Menschen vollzieht sich aber ohne jede Gnade, und Pofskis Gewissensnöte werden beim Lesen deutlich spürbar. Nicht jeder kann halt gerettet werden... 

Angesichts des kauzigen Steampunk-Rasputins und der hübschen Blondine auf dem Cover hätte ich eher eine humorige Folge erwartet. Was ich bekommen habe, gefällt mir aber auch. Vor allem, daß (SORRY -SPOILER!) Pofski, Irina und Hoorge schließlich die Dornenhecke überfliegen und, die kleine Hoffnung auf ein Gegengift in der Tasche, die Chance haben, die vergiftete Parallelerde zu erkunden, läßt mich auf eine Fortsetzung hoffen.


1 Kommentar:

  1. Zur Info: Die Archivare sind nicht schuld, sondern die Menschen selbst mit ihrem Bestreben, in der Wissenschaft den Sündenbock zu suchen. Hier ein Auszug aus dem Roman (Achtung, Spoiler!):

    Sein Blick blieb kurz an der Datumsangabe unter der Zeitanzeige haften. Jahrestag. Vor genau sechs Jahren hatten sie den ersten Prototyp des CO2-Umwandlers gestartet.
    Des hausgroßen Geräts, für dessen Entwicklung er sich so sehr eingesetzt und auf das man so viele Hoffnungen gesetzt hatte.
    Die Hoffnungen waren enttäuscht worden, denn die Leistung des Umwandlers war weit unter den Erwartungen zurückgeblieben.
    Hätte es erfüllt, was die Testläufe prognostiziert hatten, dann hätte die Katastrophe vielleicht verhindert werden können. Lesieux fühlte sich zum Teil selbst dafür verantwortlich.
    Wenige Monate, nachdem die ersten Baureihen ihre Arbeit aufgenommen hatten, war die Schutzkuppel Monacos zusammengebrochen. Ein komplexer Energieausfall, der auch die Notsysteme außer Funktion gesetzt hatte. Ein Fehler, der viele Menschen das Leben kostete.
    Und wie immer, wenn eine Katastrophe geschah, suchten die Menschen einen Schuldigen. Dass sie ausgerechnet diejenigen dafür verantwortlich machten, die an einer Lösung für die Umweltproblematik arbeiteten, war schon beinahe pervers.
    Aber und seine Kollegen waren eben greifbar, das war alles.
    Angeblich hatte das Institut durch seinen hohen Energieverbrauch für den rapiden Leistungsabfall im Stromnetz gesorgt. Das war natürlich Unsinn. Eine Überprüfung hatte das auch bestätigt. Trotzdem hielten sich die Vorwürfe hartnäckig. Die Menschen glaubten, was sie glauben wollten.
    In Kombination mit der mangelnden Leistung des CO2-Umwandlers hatten die Überlebenden schnell ihren Sündenbock ausgemacht. In der Folge wurden die Mittel für die Forschung und Entwicklung deutlich zurückgefahren.

    AntwortenLöschen