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Freitag, 2. Oktober 2020

Angefixt by Streamingdienst: Enola Holmes, zum zweiten.

 

Grad ist bei Netflix Enola Holmes erschienen, mit Milly Bobby Brown, Henry Cavill und Helena Bonham Carter prominent besetzt und so gut beworben, daß auch ich TV-Muffel mich zu diesem Feelgood-Movie habe hinreißen lassen. Hinreißend! Das ist der Film wirklich, auch wenn die zweite Hälfte etwas schwächelt - kommerziell erfolgreich ist das humorige, glänzend gespielte Ausstattungsstück ebenfalls. Kein Wunder bei der originellen Prämisse und der charmanten Hauptdarstellerin.

Also hab ich mir am selben Abend noch den zweiten Teil der Romanvorlage auf den Ebook-Reader geladen und zu lesen begonnen. Die Jugendbuchreihe von Nancy Springer umfasst 6 Teile und mit 4 Euro für das englische Original war The Case Of The Left Handed Lady erschwinglich genung, um sofort in Sachen Enola Holmes weiterzubingen. Daß ich auf den dritten Teil dann aber doch verzichten werde, hat in erster Linie damit zu tun, daß ich nun wirklich nicht die Zielgruppe bin und die eigentliche Krimhandlung ein hanebüchenes Konstrukt ist, das sich außerdem ziemlich im Kreis dreht.

Im Gegesatz zum Film ist Enola statt 16 erst vierzehn Jahre alt, und zu Beginn des Buches hält sie sich weiterhin vor ihren Brüdern Sherlock und Mycroft versteckt, auch das fängt anders an als der Film aufhört.  Mit Hilfe ihres guten finanziellen Hintergrundes betreibt die kleine Schwester des großen Detektivs nun als Dr. Ragostin eine Agentur für das Finden von Dingen und Personen. Den Doktor bekommen die Klienten jedoch niemals zu Gesicht, stattdessen nur seine Vorzimmerdame, oder seine Ehefrau - beides und noch viele andere Rollen gespielt von der intelligenten, vorwitzigen und schlagfertigen Titelheldin. Definitiv ein Lesevergnügen und ein Rolemodel für junge Leser*innen. Tiefe bekommt Enola dadurch, daß Sie zwar die verschwundene Lady Cecily finden kann, ihre eigene Mutter jedoch nicht. Im Kolorit des viktorianischen Englands geht es auch durchaus politisch zu. Allerdings dürfen wir die Charles-Dickens-Armut der Schausplätze und ihrer zerlumpten Statisterie zwar mit Schaudern bemitleiden, doch wenn es politisch wird, positioniert sich Enola (und durch sie vermutlich vor allem die Autorin, Vielschreiberin Nancy Springer) erschreckend konservativ. Arbeiter*innenaufstände, die sozialrevolutionären Ideen des jungen Marx und die anarchistischen Ansätze der Bewegung kommen gar nicht gut weg, zumal wenn ein junge Wirrkopf und Pseudo-Revolutionär anständige junge Damen entführt und (ohne Not) per Hypnose zu seinem Werkzeug macht...

Dummes Zeug also, wenn auch recht unterhaltsam zu lesen. Ich ziehe es aber vor, mich zukünftig nur an den noch zu erwartenden Enola-Holmes-Filmen zu erfreuen und das Lesen der verbliebenen vier Teile ausschließlich der Zielgruppe zu überlassen.

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