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Sonntag, 20. September 2020

MX 539 - Das Buch Koolob

Wenn Simon Borner einen neuen Beitrag zur Pulp-Serie meines Vertrauens verfaßt hat, ist das in der Regel eine gute Gelegenheit, per Wikipedia&Co die ein oder andere Wissenlücke aufzuarbeiten - sofern man bei bisher drei Episoden schon von "in der Regel" reden mag. In jedem Fall konnte ich beim sowohl beim Maar der Dämonen als auch bei den Göttern von Ham'bay ein paar interessante Recherchen zu den Hintergründen der Stories betreiben, und fand das jedes Mal bereichernd. So auch im vorliegenden Heft: Das Buch Koolob handelt nämlich von einer Religionsgemeinschaft, die eine postapokalyptische Fortschreibung der heutigen Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, kurz der Mormonen, ist. Über die weiß ich im Wesentlichen nur, daß sie ihr geistiges Zentrum in Salt Lake City haben und sich neben der Bibel auch auf ein gewisses Buch Mormon beziehen, mit dem mir gelegentlich freundliche junge Amerikaner in ordentlichen Anzügen in der Fußgängerzone auflauerten (lange keine mehr gesehen...😈). 

Besagtes Buch Mormon nun hat ein gewisser Joseph Smith geschrieben, wie ich nun dank Borners Maddrax-Beitrag weiß. Was für ein glücklicher Zufall für die Krieger des Lichts, daß ihr Jared Mayham jenem Gründervater äußerst ähnlich sieht (dessen Portrait also auch noch mehr als 600 Jahre nach seinem Ableben gut erhalten sein muß) - und Edward Adams, Prediger und Oberhaupt der Siedlung Aerlios von Smiths baldiger Wiederkehr überzeugt ist. (Aerlios habe ich bei meinen Internetrecherchen übrigens nur im Zusammenhang mit Minecraft, nicht aber mit den Mormonen gefunden; irgendwo muß der Realitätsbezug ja schließlich aufhören und die Fantasy anfangen.) So gelingt es dem energiehungrigen Trio um Olivia Canning, sich auf der Flucht vor ihren Verfolgern in der Gemeinschaft niederzulassen und reich mit Trilithiumkristallen bewirten zu lassen. Rulfan und Aruula ihrerseits aber ist es längst gelungen, die Fährte aufzunehmen. Nun müssen Sie nur noch verhindern, daß die KdL die harmlose Glaubensgemeinschaft ebenso skrupellos auslöscht wie ihre bisherigen Opfer.


Ich habe diese Episode gern gelesen, Simon Borner ist in mehrerlei Hinsicht eine sehr gute Folge gelungen. Einerseits schreibt er die Glaubensinhalte der Mormonen nach Kristofluu phantasievoll fort, er zitiert Predigten und Texte aus der Zeit von Smith bis ins Maddrax-Jetzt und zeigt, wie und warum die theologischen Auffassungen der Gemeinschaft sich verändert und an die Zeit angepaßt haben. Mit dem jungen Paar Jamie und Kara zeigt er auch, wie religöse Tradition und ein modernes Frauenbild kollidieren - und spiegelt damit auch die heutige Situation vieler religiöser Gemeinschaften in einer digitalen und globalisierten Welt. Er nähert sich der etwas schrägen Kirche dabei durchaus respektvoll und vermeidet Trash. Die Krieger-Gruppe, Träger jener Tachyonen-Identität, die das Raum-Zeit-Gefüge vor dem Kollaps bewahren soll, wird deutlich menschlicher und differenzierter gezeigt, als in den vorhergehenden Romanheften. Irritiert hat mich allerdings die Barbarensippe in den nahegelegenen Bergen. Weil sie in besonderer Weise mit einer der Romanfiguren in Zusammenhang steht, scheint sie mir viel zu kostbar für ein Bauernopfer - an dieser Stelle hätte ich mir mehr gewünscht, vielleicht sogar eine direkte Konfrontation mit dem Adams-Clan. Vielleicht war in der gut durchkomponierten, sorgsam erzählten  Geschichte nach 65 Seiten  nicht mehr der Raum dazu - interessiert hätten mich die Hintergründe dieser merkwürdig symbiotischen Beziehung sehr.

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