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Samstag, 25. Dezember 2021

J’adore Jimmy

Am Ende des Tages, eine Sammlung kurzer und etwas längerer autobiographischer Skizzen des Frankokanadiers Jimmy Beaulieu, hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. 2013, ist das Original, nur ein Jahr später die deutsche Übertragung bei schreiber&leser erschienen. Dass ich diesen Schatz letzte Woche beim Geschenkestöbern im örtlichen Comicladen für mich geborgen habe, kann ich nur als absoluten Glücksfall am Ende dieses Lesejahres bezeichnen, und das vor allem in einer Hinsicht: Beaulieu erwischt mich so tief, weil wir viel gemeinsam haben: Der Geburtsjahrgang. Mittelschicht. Hadern mit der Provinzialität (Herkunft), hadern mit der Urbanität (Ideal), hadern mit dem dicklichen Körper, hadern mit dem Älterwerden. Leidenschaft für die Kunst. Gesellschaftliche Unbeholfenheit. Das andere Geschlecht: Ein vertracktes Spiel. Kein Sieger, kein Verlierer. Eher Kumpeltyp. Die Zeiten ändern sich; eine neue Generation hat schon die längst die Debattenräume erobert, Identitätspolitik. Die eigene Position ist noch immer nicht ganz spruchreif, da scheint sie schon irgendwie reaktionär. Das eigene künstlerische Schaffen ist noch nicht auf dem Zenit, da weht in der Szene schon ein anderer Wind. Krankheit und Tod in der Elterngeneration. Und immer wieder das Loslassenmüssen von Dingen, Umständen, Umwelten, die zwar liebe, wenn auch nicht geliebte Gewohnheiten sind. Und all das mit einem lakonischen, doch niemals lamoyianten Sound erzählt. Cartoonhaft gezeichnet, doch ohne Pointen. Non-Aventures, so der Originaltitel. Dass Nicht-Abenteuer so aufwühlend sein können.

Es bringt wenig, wieder und wieder bei schreiber&leser zu bekritteln, dass sie keine Kontexte, keine Editorischen Notizen zur Verfügung stellen, die mir als Comicleser so wichtig sind. Dass sie dieses skizzenhafte Tagebuch/Zauberbuch überhaupt veröffentlicht haben, ist mir in diesem Fall genug.

Jimmy findet eine Freundin. Jimmy hat als Zeichner und Verleger einigen Erfolg. Jimmy hat keine allzu großen Ideale, doch denen, die er hat, bleibt er treu. Jimmy meint es ernst mit den Menschen, denen er sich zugehörig fühlt. Jimmy kann über sich selbst lachen. Jimmy ist ein liebender, ein still-leidenschaftlicher Mensch. Ihm auf diesem Roadtrip ins Ich folgen zu dürfen, war mir eine nachhaltige Freude.
 

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