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Montag, 20. September 2021

MX565 - Erst die Arbeit, dann das Vergnügen


Der rote Planet, soviel lassen die Serienmacher/innen durchblicken, soll zur Mitte des aktuellen Weltenriss-Zyklus eine entscheidende Rolle spielen. Doch bevor es soweit ist, müssen dort, 56 Millionen Kilometer (günstigstenfalls) von der Erde entfernt, noch einige Figuren neu positioniert und erzählerischer Boden beackert, respektive terrageformt werden. Da wäre die skrupellose Machtübernahme des einstigen Präsidentenberaters Iwao Gonzales, das Auftauchen einer üblen, aber noch etwas diffusen Macht sowie das Heimischwerden der Exilantin Nomi im Neu-Utopia, Heimat der Mutanten. Und auch der ferne Mond Aquus will sich nach Jahren wieder ins Leser/innengedächtnis bringen.

Keine wirklich dankbare Aufgabe für das bewährte Duo Jana Paradigi und Ramon M. Randle, durchaus das Mars-Kompetenzteam der Serie: Die Vielfalt des agierenden Personals ist nicht gerade übersichtlich, und viele Handlungsmotivationen liegen in dunkler Serienvergangenheit. Somit ist es auch für die Lesenden mit etwas Arbeit verbunden, dem Plot zu folgen. Unterm Strich aber einer Arbeit, die sich lohnt, denn Irrwege braucht zwar seine Zeit, um zu zünden, hallt dafür aber auch länger nach.

Achse beider Handlungsstränge ist das Liebespaar Biro, ein Wissenschaftler, und Cron, ein Koch aus dem Regierungspalast. Beide werden zwangsweise getrennt und von der sich neu ordnenden Macht mißbraucht. Der eine soll eine gefährlich Expedition begleiten, der andere die friedliebende, aber wehrhafte Parallelgesellschaft der Mutierten ausspionieren – Leben und Wohlergehen des Partners sind die Druckmittel in Iwaos Händen. Doch ein namenloses Übel, das sich wie ein drohender Schatten über die marsianische Bevölkerung schiebt, bleibt ungreifbar und unbeherrschbar.

Vor diesem Hintergrund entspinnt sich ein reflektierter, fast philosophischer Serienbeitrag, der seinen Themen Macht, Selbstbestimmung und Vertrauen zahlreiche Facetten abtrotzt. Ist der Mißbrauch von Macht in jedem Fall unausweichlich, wie Nomi behauptet? Ist persönliche Freiheit nur durchsetzbar, wenn man es sich gestattet, selbst machtvoll zu sein? Und was ist dann mit den Tugenden Güte und Vernunft? Was macht eine Gemeinschaft stark, die sich entschlossen hat, auf Zwang zu verzichten? Und kann sie so frei bleiben, wenn sie plötzlich keine Waffen (in diesem Fall: Parafähigkeiten) mehr gegen den äußeren Feind hat? Dass die Lektüre eines Romanheftes solche Fragen aufwirft und auf stereotype Antworten verzichtet, ist schon eine besondere Leistung – was aber den unkomplizierten Zugang zu Atmosphäre, Spannung und Identifikation mit den Protagonist/innen angeht, bleibt Irrwege leider etwas im Soll. Dennoch will ich wissen, wie es mit Biro und Cron weitergeht.




[Dieser Artikel wird in leicht veränderter Form auch zeitnah auf phantastik-news.de erscheinen.]

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