Michel Houellebecqs romanhafter Essay über Leben und Werk von Howard Philipp Lovecraft erschien erstmals 1991 und damit deutlich vor der "Ausweitung der Kampfzone", jenem Roman also, mit dem der dünne Franzose, der in den Medien immer so merkwürdig an seiner Zigarette nuckelt, seinen internationeln Durchbruch feierte. Meiner Meinung nach völlig zu Recht, hätte ich doch das Cover von "Kampfzone" mit Sicherheit bei einer jener Corona-Challenges auf Facebook gepostet, wenn ich denn nominiert worden wäre. Schließlich ist die Kampfzone eines der Bücher, die einen massiven Einfluß auf mein Denken und meine literarische Weiterentwicklung genommen haben, aber das scheint von meinen FB-Bekanntschaften niemand so recht zu interessieren.
Ebenfalls war es mir immer ein leichtes, mich für das Werk von H.P. Lovecraft zu begeistern, dem ich als pickliger Teenager erstmals in Form eines Pen&Paper-Rollenspiels namens "Call Of Ctullhu" begegnete. Lovecraft, der mit seiner absonderlichen Prosa über das Wirken der Goßen Alten literarische Maßstäbe setzte, war und ist nicht unumstritten. Einerseits ist es sein Stil, unausgewogen aber einzigartig, nicht mit verschwenderischen Adjektiven geizend, andererseits seine reaktionäre Geisteshaltung, die Anlaß für Kritik von vielen Seiten gab und gibt. Dennoch ist unbestritten: Lovecraft ist nach Edgar Allan Poe, nach Bram Stoker und Mary Shelly der wichtigste Autor der dunklen Phantastik. Houellebecq analysiert sachlich und genau, wie Lovecrafts verkrachtes Leben Einfluß auf sein Schreiben hatte, wie seine streng materialistisch-wissenschaftliche Mystik in den Geschichten funktioniert und wie sein Rassismus, sein Selbst- und Menschenhaß sein Leben scheitern ließ, seine Kunst aber vorantrieb - was erst nach seinem Tod ausreichende Beachtung fand und finden konnte.
In diesen analytischen Passagen nimmt sich Huellebecq als Künstler, den ebenfalls sein schonungloser, pessimistischer Blick auf unsere Spezies auszeichnet, völlig zurück. Es ist vor allem das erste, Ein neues Universum betitelte Drittel des Buches, in dem der Franzose seine eigene Person in Beziehung zu seinem Sujet setzt und dort zu der Form aufläuft, die Elementarteilchen oder Unterwerfung so erfolgreich gemacht haben: Ein verzweifelter Zynismus, eine bittere Pointiertheit, ein misantropher, tiefer Humanismus. "Wer das Leben liebt, liest nicht," heißt es da. "Der Zugang zum künstlerischen Universum ist mehr oder weniger für die reserviert, die ein wenig die Schnauze voll haben." Ob ich dem aus vollem Herzen zustimmen würde, weiß ich nicht. Aber auf Howard, Michel und mich trifft es wohl zu, bei dem einen mehr, bei den anderen weniger.
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