Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 16. März 2021

Keine Rücksicht auf Einzelschicksale - Schullektüren im Frühjahr 2021

Löcher - Die Geheimnisse von Green Lake von Louis Sachar ist nicht gerade eine Neuheit. Bereits 2000 ist dieser US-amerikanische Jugendroman in Deutschland erschienen, eine Verfilmung aus dem Hause Disney lief bereits vor Jahren im Kino. Ist alles an mir vorbeigegangen, doch elternschaftsbedingt habe ich momentan irgendwie einen ganz heißen Draht ins Rotstiftmilieu... und schaue mal, was Siebtklässler im Unterricht so lesen - bzw je nach Wahrnehmung lesen müssen. Da wäre neben Löcher noch die Novelle Kleider machen Leute von Gottfried Keller. Die ist noch ein gutes Stück älter als Die Geheimnisse von Green Lake, feierte sie doch in meinem Geburtsjahr bereits ihren Hundersten. 

Die launige Story um den mageren Schneidergesellen Wenzel Strapinski, der zum Hochstapler wider Willen wird, dabei aber seine verschollene Jugendliebe wiederfindet und nach einem hochemotionalen Finale im Abgang der turbulenten Novelle stattlich und rund werden darf, ist nach wie vor ein kleines, aber feines Lesevergnügen für Zwischendurch. Bildschirmaffine Schulkinder sehen vor allem das mit dem "zwischendurch" etwas anders, müssen sie sich doch mehrere Wochen lang durch eine ungewohnt altertümliche Sprache quälen. So wird hier trotz des Zugeständnisses, dass KmL zwar "ganz nett" sei, wohl kein Gottfried-Keller-Fanclub gegründet, was ja nicht weiter überrascht.

Was mich hingegen wunderte war, dass die ungleich zeitgenössischeren Löcher bei der Zielgruppe nicht so gut ankam. Ich war nämlich recht angetan von der Erzählung um den Pechvogel Stanley, der nach einer Verkettung höchst unglücklicher Umstände eine Jugendstrafe in Camp Greenlake verbüßen muß und dort in den Strudel eines aberwitzigen Abenteuers gerissen wird. Nun muß ich fairerweise sagen, daß es sich nur um eine einzelne Vertreterin der Zielgruppe handelt, und deren Kritik klar in die Richtung zielte, daß das schon eher ein reines Jungsbuch sei. Weibliches Identifikationspotential gibt es in Löcher tatsächlich wenig, zumindest nicht im Teenageralter; die Banditin Kate Barlow ist schon ziemlich cool. Ich jedenfalls hatte meine Freude an der spannenden Story, dem schrulligen Humor und der knochentrockenen Erzählweise des Romans.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen