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Montag, 26. Oktober 2020

Hm.


Don DeLillos äußerst schmales Romänchen Die Stille ist just dieser Tage in deutscher Übersetzung erschienen und erfreut sich, auch wegen seiner unerwarteten Aktualität angesichts der globalen Corona-Krise, großer Aufmerksamkeit, ebenso recht ordentlicher Kritiken in den Feuilletons. Also her mit der Neuerscheinung, dachte ich mir, und die 100 Seiten rasch gelesen. Doch DeLillos rudimentäre und verdichtete Erzählweise, die dürftige Handlung ließen mich etwas ratlos zurück. Ein zweites Lesen schuf Abhilfe, Begeisterung wollte sich dennoch nicht so wirklich einstellen. Eine nicht recht faßbare Katastophe also wird erzählt, ein Netzwerk- und Stromausfall am SuperBowlSunday 2022 legt vielleicht die Welt, zumindest aber New York lahm. Ein Akademikerpaar erwartet Gäste, deren Flugzeug am JFK eine Bruchlandung hinlegt, die Insassen kommen grad noch mit dem Leben davon. Unbeholfene und sehr gestelzte Dialoge in der Notaufnahme. Dann ein gewisser Ex-Student namens Martin, der in ungebremster Schwafel-Eskapade die Situation einer hochtechnisierten Gesellschaft im Blackout reflektiert, auf Einstein sowie sämtliche derzeit gängigen Diskurse zu Zivilisation und Entfremdung Bezug nimmt und sich zum Ende des Bändchens irgendwo im Vokabular hinlänglich bekannten Verschwörungssprechs strandet. Der Besuch kommt verspätet, es wird geredet, gegessen, Sex gehabt und/oder vielleicht auch nicht, Gastgeber Max starrt auf den erloschenen Fernseher und das wars dann irgendwie auch schon.
 
DeLillos Sprache ist dicht und schön und ausgewogen wie Lyrik, und wenn man Die Stille so aufmerksam liest wie ein langes Gedicht, erschließen sich plötzlich in den Leerstellen der dürftigen Handlungsfragmente und Dialoge Zusammenhänge und Sinnhaftigkeiten. Wirklich aus den Galoschen gehauen hat mich dieses Katastrophenszenario dennoch nicht. 
 
Der moderne Mensch ist ohne seine medialen Zusammenhänge erstmal nichts, lautet die ernüchtende Bilanz nach der Lektüre. Ein verklemmtes, hilf- und sinnloses Splitterchen von etwas, das mal ein großer Wurf hätte werden können. Diese Beobachtung mag zutreffend sein, und der Autor zeichnet sein eigenes weißes, akademische gebildetes, heterosexuelles Großstadtmilieu angesichts einer (vielleicht) Katastrophe ohne besondere Schonung. Aber ein bißchen zu trivial ist diese Diagnose dann doch, um auch auf lange Strecke die Wirkung guter Lyrik zu entfalten.

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