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Sonntag, 16. Januar 2022

Sinclair - Unblond

Ganze zweieinhalb Jahre hat FischerTOR mich warten lassen. Ich hatte zwischenzeitlich sogar gebangt, daß es nix mehr wird mit einer Fortsetzung von SINCLAIR Dark Zone, jener wahnsinnig gut geschriebenen, spannend erzählten und atmosphärisch mitreißenden Überschreibung des Romanheftklassikers von Jason Dark. Zunächst als Hörspiel kozipiert, hatte Dark Zone mich durch seine harte und direkte Sprache, seine knappen Film-Noir-Dialoge und seine Short-Cut-artigen Szenen ad hoc in Beschlag genommen. Doch auch als Roman macht sich die Story gut: 

Newham, nicht wirklich die netteste Ecke Londons. Drogen und Bandenkriminalität, Korruption und Gewalt prägen das Milieu, und Detektive Sinclair ist ein Cop unter vielen, desillusioniert, zynisch und müde. Gleich zu Beginn kommt er bei einer Explosion in den Docks ums Leben, und taucht auch im ganzen ersten Band nicht mehr auf. Statt seiner ermittelt nun Detektive Shao, in der Originalserie Sukos Frau, hier ein junges Raubein, im Fall um einen merkwürdigen Granitblock und zerstückelte Leichen in der Kanalisation. Eine neuartige Designerdroge namens Harmony scheint ebenfalls mit all den Ereignissen zusammenzuhängen, die irgendwie erstmal so gar nicht wie Horror, sondern wie hard-boiled Krimikost anmuten - und das ist sehr sehr gut. Sehr gut gemacht, vor allem aber das altbekannte Pferd von einer wirklich neuen Seite aufgezogen: Die Stadt, das versiffte London von heute, ist nicht nur Kulisse, sondern spielt eine Hauptrolle.

Recherchiert man ein wenig in den einschlägigen Foren, wird bald klar, dass die Konzeption von SINCLAIR "DeadZone" und "Underworld" nicht nur Freunde hat. Vielen Fans der Originalserie stoßen zahlreiche Veränderungen sauer auf. Keine strahenden Helden, sondern gebrochene Charaktere. Reporter Bill Conolly ein drittklassiger Vlogger, Glendas Kaffee ist ungenießbar, Zuko hat nen Nachnahmen, und als die Titelfigur - im zwoten Band ist John wieder lebendig und hat keine Ahnung, was ihm wiederfahren ist - sich mit einer blonden Perücke tarnen soll, fühlt er sich gar lächerlich. Jede Menge Ironie also, die nicht jeder Fan als liebevolle Hommage begreifen mag.

Immerhin führt Band 2 einige Handlungsfänden zusammen und schafft etwas Handlungsklarheit, denn für einen Neustart waren doch zunächst reichlich Fragen offen geblieben. Auch das Übernatürliche gewinnt deutlich an Raum, es werden  Bezüge in die Vergangenheit, in Mystik und verborgene Realitäten angedeutet. Doch es bleibt angenehm bodenständig, und nicht zuletzt das beinahe hundert Seiten lange, doch in keiner Zeile zähe Shootout gegen Ende des Buches zeigt, dass actionreicher Grusel auch ohne hämisch lachende Dämonen und ähnlichen 70er-Trash fesseln kann. Überhaupt, was Dennis Erhardt (in Zusammenbart mit Sebastian Breidbach) hier handwerklich vorlegt, ist vor allem eines nicht: Trash. Doch als Einzelromane (bzw. "Staffeln", wie es in der Hörspielvorlage heißt) funktionieren die Bücher nicht. In Erzählhaltung und Komplexität erinnert SINCLAIR eher an Serien wie Gabriel Burns oder True Detektive als an eine ehrwürdige, aber auch eher schlichte Heftromanserie. 

Wie es nun weitergeht, wird sich zeigen. Im Nachwort verbreitet der Autor jedenfalls nicht allzuviel Hoffnung, dass es schnell geht mit einer Fortsetzung. Zwischen beiden Büchern und ihren dazugehörigen Hörspielen lagen zumindest mehr als zwei Jahre, auf einen ähnlichen Zeitraum kann man sich als Leser wohl auch jetzt einstellen. Wenn ich mir was wünschen dürfte, bliebe der Horror in SINCLAIR auch weiterhin so schwer fassbar, überdimensional, bedrohlich. Dass John Sinclair am Ende von Underworld sich als denn doch so eine Art Auserwählter herausstellt, kratzt schon leicht an der Grenze zum Kitsch. Bitte, liebes Team, behaltet den eingeschlagenen Kurs bei und reaktiviert nicht so lächerliche Gegner wie Dr. Tod, Asmodina, oder die Horror-Reiter. Sinclair als Sohn des Lichts - das kann gerne in der Heftchenserie verbleiben. Der zynische Sinclair und Shao, seine Partnerin mit den äußerst schlechten Manieren, sind da deutlich zeitgemäßer.



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